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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss
Autoren: Lynn Raven
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des Kriegers ließ ihn aufschauen. » Diese Grauen Krieger– die Männer fürchten sie. « Als Garwon sah, wie seine Braue sich hob, stieß er ein scharfes Schnauben aus. » Ich weiß, wie das klingt. Aber ich rede nicht von irgendwelchen grünen Bauerntölpeln, die gerade erst nach Kahel gekommen sind und noch nie zuvor einer Gefahr ins Auge gesehen haben. Du kennst die Männer, und du weißt so gut wie ich, dass keiner von ihnen ein Feigling ist. « Jetzt setzte Garwon sich doch auf den Sessel, den Réfen ihm zuvor angeboten hatte, und beugte sich vor. » Irgendetwas ist an diesen Kerlen seltsam.– Sie haben noch mit keinem Mann ein Wort gewechselt. Stets bleiben sie unter sich, niemals sieht man sie ohne diese weiten grauen Gewänder und ihre Helme.– Wer sind diese Kerle? Woher kommen sie? «
    » Beinah könnte man meinen, die Männer hielten sie für Geister oder etwas Ähnliches, Garwon. « Réfen schob mit einer ungeduldigen Geste die Reste des Federkiels beiseite. » Du warst dabei, als die Königin den Männern erklärte, was es mit den Grauen Kriegern auf sich hat. Es sind Verbündete, die uns in dem bevorstehenden Krieg gegen die Nordreiche beistehen werden. Sie tragen diese weiten Gewänder und die Helme, weil ihre Gestalt sich von der unseren unterscheidet und sie weder die Männer noch die übrigen Bewohner Kahels erschrecken wollen. Deshalb bleiben sie auch unter sich und halten sich während des Tages in ihrem Lager im Wald vor der Stadt auf.– Und Garwon: Du weißt so gut wie ich, dass dieses knappe Dutzend der Grauen Krieger nur eine Vorhut ist. Ein Zeichen des guten Willens ihres Herrn. Es werden mehr von ihnen kommen und unsere Männer werden Seite an Seite mit ihnen kämpfen müssen. «
    » Und du glaubst das tatsächlich, Hauptmann?– Ganz abgesehen davon, dass die Nordreiche gar keinen Grund hätten, sich gegen uns zu erheben. Du hast die Berichte selbst gelesen… «
    » Dann sag mir, Garwon: Warum sollte die Königin lügen? «
    Der Krieger fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. » Genau diese Frage stelle ich mir die ganze Zeit, und ich will verdammt sein, wenn ich sie beantworten kann. «
    Réfen stieß ein leises Seufzen aus. » Also gut! Ich werde dort unten nach dem Rechten sehen, auch wenn ich damit gegen einen direkten Befehl der Königin verstoße, und gegebenenfalls dem Tun der Grauen Einhalt gebieten. « Entschlossen stand er auf, griff nach seinem Schwertgurt und bemerkte zu seiner Überraschung, dass Garwon beinah erleichtert nickte, ehe er ihm die Tür öffnete und den Vortritt ließ.
    Die Korridore des Palastes waren wie ausgestorben. Nur vereinzelt verriet ein leises Schnarchen aus einer Nische, dass sich dort ein Diener in seine Decken gewickelt hatte, falls sein Herr oder seine Herrin ihn noch benötigen sollte. Die Wachen, die in den Fluren ihren Dienst versahen, nickten ihm ehrerbietig grüßend zu, und mehr als einmal spürte er ihre erstaunten Blicke, ob des Umstandes, dass auch er jetzt noch– weit nach Mitternacht– auf den Beinen war.
    Er hörte die Schreie schon, als sie die schmale Treppe hinter sich gelassen hatten, die auf die erste Ebene des Kerkers hinabführte. Verwundert warf er Garwon einen kurzen Blick zu, der seine unausgesprochene Frage mit einem knappen Nicken beantwortete. Seine Fingerknöchel waren weiß, so fest umklammerte er den Griff der Fackel, mit der er ihm die Stufen hinunterleuchtete. Unwillkürlich beschleunigte Réfen seine Schritte, als er die zweite Treppe hinabstieg, die in der Wachstube der Kerkerwache endete. Der grauenvolle Laut wollte scheinbar nicht enden.
    Der Anblick, der sich ihm am Fuß der Stufen bot, brachte ihn abrupt zum Stehen. Die Männer der Wache hatten sich am anderen Ende des Raumes um einen Tisch gedrängt. Die geschnitzten Würfel und polierten Steine eines Jaran-Spieles lagen auf dem Holz, ebenso vergessen wie die Becher und der Krug mit Bier, der in ihrer Mitte stand. Jede Fackel und jede Kerze war angezündet, sodass die kleine Stube beinah taghell erleuchtet war. So, wie sie ihm und Garwon entgegensahen, konnte er ein Schaudern nur schwer unterdrücken. Dann erkannten die Männer ihn und seinen Begleiter. Ein erleichtertes Raunen ging von Mund zu Mund. Erst als die Blicke der Krieger zu dem dunklen Durchgang huschten, hinter dem es zu den tiefer liegenden Zellen ging, wurde ihm die plötzliche Stille bewusst– und dieses Mal zuckte er ebenso zusammen wie die anderen, als die Schreie unvermittelt wieder
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