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SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)

SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)

Titel: SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
Autoren: Jordan Bay
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Selene nicht deuten. Weißblondes Haar wehte um seinen Kopf herum, eine Gesichtshälfte wurde dadurch verdeckt, in der anderen erkannte Selene ein Auge, das sie unverwandt musterte. Das letzte bisschen Kraft entwich ihren Gliedern. Gelähmt vor Angst und außer Stande, einen Laut herauszubringen, gruben sich ihre Finger in die Erde.
    Plötzlich streckte der Fremde eine Hand nach ihr aus. Sie zuckte zurück.
    „Bitte …“ Hab ich das gesagt? Nein. Sie war sich sicher, dass ihre Stimme nicht funktionierte. Dann musste er es gewesen sein.
    „Hab keine Angst.“ Ein tiefer Bass vibrierte über ihre Haut hinweg. Und ohne jeden Anlass verlor Selene die Angst, die sie noch vor kurzem gepackt hatte, und fühlte sich beschützt – mitten im finsteren Wald, auf der kalten Erde, einem Fremden ausgeliefert – nur, weil er gesprochen hatte. Es war absurd. Doch sie streckte ihm die Finger entgegen.
    Er kam auf sie zu und legte seine riesige Pranke unter ihre Hand. Als er sie berührte, fuhr ein warmes Kribbeln durch die Fingerspitzen direkt in ihren Arm hinein. Selene hörte auf zu zittern, ihr Puls wurde schneller und schickte ein äußerst lebendiges Prickeln in ihren Bauch.
    War dies noch die Realität?
    Der Fremde umfasste ihre Hand und zog sie behutsam auf die Beine. Plötzlich war sie ihm fürchterlich nahe. Selene blickte auf seine Brust und konnte diese Hitze überall um sich herum spüren. Ihr Körper wurde von seiner Wärme geradezu umarmt und wollte sich ihr hingeben.
    Nach wie vor umschloss er ihre Hand – zärtlich, aber bestimmt. Und auch Selene wollte nicht loslassen. Du liebe Güte, was tue ich hier eigentlich? Der Fremde strich mit seinem Daumen über ihren Handrücken. Selenes Herz machte einen Sprung. Ihre Lippen teilten sich vor Verzückung. So etwas wie Lust hatte sie seit Ewigkeiten nicht gefühlt.
    „Ich sollte gehen!“ Sie versuchte, überzeugt zu klingen.
    „Bleib …“, bat er, „noch ein bisschen. Ich werde dir nichts tun.“
    Warum glaube ich ihm?
    Selene spürte, wie er seine andere Hand vorsichtig an ihren Rücken legte und ließ es geschehen. Gott! Das fühlte sich so gut an. Sie zwang sich, weiterhin auf seine Brust zu starren, wusste nicht, was passieren würde, wenn sie ihm erst in die Augen sah. Die Hand an ihrem Rücken übte sanften Druck aus. Er zog sie an sich. Selene war unfähig, sich zu wehren. Ihre Brust berührte den fremden Oberkörper, das Leder seines Mantels knarrte. Schlagartig wurden ihre Sinne von einem Aroma geflutet. Sie kannte diesen Geruch, irgendwoher. Es duftete nach orientalischen Gewürzen und entgegen aller Vernunft hob Selene den Kopf.
    Saphirblaue Augen blickten hungrig auf sie hinab.
    Was tust du nur? , zweifelte er.
    Sie war eine Fremde und Roven nutzte ihre Wehrlosigkeit unverschämt aus. Der Akkadier wandte seine Kräfte an, um ihr die Angst zu nehmen, die sie einem Fremden gegenüber haben sollte – Angst, die sie vor einer Kreatur, wie er eine war, schützen müsste und dazu bringen würde, in die für sie einzig sichere Richtung zu laufen – weg von ihm. Er aber vernebelte ihren Verstand, zwang sie zu bleiben.
    Seine Teleportation war noch nie misslungen. Roven verstand nicht, wie er sein Ziel dermaßen verfehlt haben konnte. Und kaum da er Gestalt angenommen hatte, war sie in ihn hineingelaufen. In diesem Moment waren Erinnerungen in seinem Verstand aufgeflackert. Du hast von ihr geträumt. Das Bild in Rovens Kopf zeigte ihm eine junge Frau mit einer fast milchigen Hautfarbe. Blauschwarzes Haar ergoss sich über einen nackten Rücken. Der Rest ihres Körpers wurde durch ein elegantes Kleid verhüllt. Doch die Figur war gut zu erkennen – groß und beinahe straff wirkte ihr Körper, wenn sich der Stoff über ihm abzeichnete.
    In seinem Traum war die Fremde durch einen Wald gerannt und Roven folgte ihr, würde sie nicht aus den Augen lassen. Sie hatte keine Angst, sehnte sich nur nach dem Gefühl von Freiheit. Das Gleiche, was auch er immer empfand, wenn er seine Bestie laufen ließ. Er schwelgte in der Duftnote, die sie hinter sich herzog – wie Honig, nur bitterer. Sein Magen krampfte vor Hunger.
    Am Ende des Weges ragte das Tor Avenstones vor ihnen auf. Sie blieb schwer atmend stehen, als hätte sie ihr Ziel erreicht. Der Anblick einer Sterblichen vor der Pforte seines Heimes irritierte den Akkadier. Nie hatte sich ein gewöhnlicher Mensch dorthin verirrt. Schon allein deswegen, weil Rovens Burg verborgen lag und nicht gefunden werden
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