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SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)

SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)

Titel: SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
Autoren: Jordan Bay
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Genträger, mit dessen Essenz ihre eigene gemischt werden konnte.
    Ein Gott würde ihr Götter schenken, ein Halbgott Halbgötter und ein Sterblicher das Zeitliche segnen. Ishtar hatte Gründe, den Kriegsherrn gewählt zu haben. Denn der wahre Kern ihrer Göttlichkeit herrschte tief in ihr verborgen. Das Tier. Das Monster. Das Ungetüm. In den Ketten ihres Verstandes eingesperrt begehrte es nach Freilassung und wollte nur eins – töten.
    Naham – die Bestie. Nichts konnte ihr Schuldgefühle bereiten. Moral? Ein Fremdwort für den Löwen. Doch Ishtars Brut sollte von diesem Übel befreit bleiben. Eine einzelne Bestie genügte, um ganz Enûma zu vernichten. Vier kämen einer Zumutung gleich. Und durch das schwache Blut des Halbgottes würde eben dieser Kern, die Gottheit der Bestie, nicht heranreifen. Die Kinder selbst entstanden in einer höheren Ebene, einem Ort jenseits des überirdischen Götterreiches, der nur vom Orakel betreten wurde.
    Mit einer Opfergabe ihres eigenen Lebenssaftes durfte Ishtar die Nachkommen empfangen. Sie waren perfekt, wunderschön und engelsgleich. Die Göttin hatte richtig entschieden, als sie ihrem Drang nachgegeben hatte. Sie hielt ihre Heimat in den Armen. Drei Kinder, gezeichnet von der Gunst des Schicksals. Doch trotz des Glückes, das sie empfand, wurde es in ihrem Inneren unruhig. Naham , die Bestie, tigerte hin und her, als würde sie ein Unheil vorhersehen. Ishtar ignorierte dies, so gut sie es vermochte, und brachte ihre Brut schließlich nach Hause, nach Enûma .
    Tage später fegte eiskalter Wind durch die Pforten ihres Tempels hinein in die Eingangshalle und kündete ihn an. Göttervater Marduk stattete Ishtar einen Besuch ab.
    Sie verneigte sich, wie es von ihr erwartet wurde.
    „Inanna, meine Liebe.“ Er nannte sie stets bei ihrem sumerischen Namen, von dem er wusste, dass sie ihn verabscheute. Inanna klang nach etwas Niedlichem, das man streicheln wollte, nicht nach einer Göttin.
    „Dein Besuch ehrt mich“, log sie und hob ihr Kinn.
    Obwohl er als Gott äußerlich nicht alterte, brauchte man seinen Augen nur ein einziges Mal zu begegnen, um die respekteinflößende Weisheit darin zu erkennen. Und auch die kurzen, hellen Locken, die sein Gesicht einrahmten, nahmen ihm nichts von der Strenge.
    „Wie geht es deiner Brut?“ Ishtars Kiefer spannte sich an. Er fragte nach ihren Kindern?
    „Gut“, sagte sie zögerlich und unterdrückte den Wunsch, nach ihnen zu sehen. Marduk wendete sich ab, verschränkte die Hände auf dem Rücken und spazierte durch die Halle.
    „Deine Schönheit verleitet mich immer wieder dazu, Regeln zu übergehen.“ Er schüttelte den Kopf, als tadelte er ein ungezogenes Gör. „Schicksal, Inanna. Ist es nicht erstaunlich, dass selbst wir, die Allmacht, diesem Instrument unterliegen? Nicht einmal die Schönsten dieser Welt sind davor gefeit.“ Marduk warf ihr einen Blick über die Schulter zu und zwinkerte.
    Ishtar schüttelte sich innerlich. „Führt dieses Gespräch in eine bestimmte Richtung, weiser Marduk?“ Sein Lächeln verschwand hinter einer marmornen Fassade. Er hatte den Spott in ihrer Stimme also gehört. Gut so!
    „Ich wollte es dir schonend beibringen. Aber das scheinst du ja nicht nötig zu haben.“
    „Ich habe gar nichts nötig, falls dir das entfallen ist.“ Marduk schnaufte.
    „Nun denn, Göttin der Liebe und des Krieges. Das Schicksal hat deine Brut scheinbar für etwas Höheres auserkoren.“ Er verengte seine Augen und prüfte ihre Reaktion.
    Ishtar schluckte die Angst hinunter.
    Der Göttervater fuhr fort und betrachtete den Marmorboden, als würde er Kindern beim Spielen zusehen. „Kleine, gehörnte Biester“, sinnierte er, sah auf und lächelte sie an. Ishtar fühlte, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. Was sie versucht hatte, zu vermeiden, war geschehen. Ihre Kinder trugen akkadische Bestien in sich – genauso gewalttätig wie ihre eigene. Damit hatte sie ihnen eine Bürde auferlegt, die Ishtar nicht einmal ihrem ärgsten Feind wünschte – die Bürde ein unzähmbares Geschöpf zu zähmen.
    „Du brauchst nichts zu erwidern“, fuhr Marduk fort. „Das hast du nicht nötig, richtig? Sorge dafür, dass deine Keime unter Kontrolle bleiben!“ Es dauerte einen Moment, bis sie die Kraft fand, etwas zu erwidern. „Sonst was?“ Ihre Stimme hatte einen metallischen Klang angenommen. Doch anstatt zu antworten, kehrte Marduk Ishtar den Rücken zu und spazierte lachend davon. Erst als sie ihn nicht mehr sehen
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