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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer
Autoren: Barbara Wood
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Cäsar verwandt bist. Und du sollst vor aller Öffentlichkeit den Ring an Agrippina übergeben.«
    »Und dafür ist sie bereit, dich freizulassen?«
    Paulina schwieg.
    »Dann muß ich es tun, Paulina. Meinetwegen droht dir ein grausamer Tod. Ich bin dafür verantwortlich. Es ist meine Pflicht, dich hier herauszuholen!«
    Paulina kam ganz dicht an das Gitter und sagte: »Das ist nicht alles.«
    »Was verlangt sie denn noch?«
    »Du sollst vor aller Öffentlichkeit erklären, daß deine Heilkunst Zauberei ist.«
    Selene war sprachlos.
    »Und du sollst das Domus zum bösen Ort erklären.«
    Selene war entsetzt. Wie war es so weit gekommen? Sie sollte ihre Berufung verleugnen, dem Traum entsagen, den sie mit Andreas teilte?
    Sie sah wieder zu dem kleinen Fenster hinauf. Der letzte Sonnenstrahl war verglüht. Die Nacht senkte sich über Rom; Rauchschwaden zogen durch die Luft, die immer dicker wurden. Die Stimmen der Gefangenen in den anderen Zellen wurden lauter und drängender; die Leute verlangten, hinausgelassen zu werden. Auch sie rochen den Rauch und hatten Angst.
    »Dazu wird es nicht kommen«, sagte Selene. »Andreas ist zu Claudius gegangen …«
    »Selene«, drängte Paulina. »Du mußt Rom verlassen. Agrippinas Macht wird täglich größer. Der Tag wird kommen, wo das Volk dich nicht mehr retten kann. Ich kenne diese Frau. Sie wird den Pöbel gegen dich aufhetzen. Die Leute sind wankelmütig, Selene. Heute bist du ihr Idol, morgen reißen sie dich vom Sockel. Geh fort aus Rom, Selene. Nimm dein Kind und geh weit fort von hier.«
    Selene schüttelte den Kopf. »Aber – das Domus! Es ist mein Lebenswerk, Paulina. Ich kann es nicht einfach im Stich lassen.«
    »Glaubst du denn, Agrippina wird es bestehen lassen? Sie wird Mittel und Wege finden, es zu zerstören, und dich und die deinen mit ihm.«
    »Aber wenn ich meine Abstammung verleugne!« rief Selene. »Das muß doch genug sein. Wenn ich ihr beweise, daß ich nicht die Absicht habe, ihrem Sohn den Zugang zur Herrschaft streitig zu machen, dann muß Agrippina uns doch in Frieden lassen!«
    Nein, das würde sie nicht tun – Selene erkannte es, noch während sie sprach. Wenn sie – Selene – einmal auf ihre Ansprüche verzichtet hatte, dann gab es für sie und ihren Sohn keinen Schutz mehr. Durch ihr eigenes Handeln würde sie den Pöbel gegen sich wenden und damit Agrippina genau in die Hände spielen.
    Paulina streckte einen Arm zwischen den Gitterstangen hindurch und ergriff Selenes Hand.
    »Geh«, flüsterte sie eindringlich. »Noch heute abend. Jetzt gleich. Fliehe mit Andreas und deinem Kind an einen fernen Ort, wo ihr sicher seid.«
    »Ich lasse dich nicht im Stich, Paulina.«
    »Und nimm meinen Sohn mit, Selene. Nimm Valerius mit dir. Wenn ich tot bin, ist er gefährdet. Nimm ihn als deinen Sohn an.«
    Die Gefangenen fingen jetzt an, gegen die Türen zu trommeln, und verlangten schreiend, hinausgelassen zu werden. In dem kleinen Fenster glühte ein neues Licht, so rot wie ein zweiter Sonnenuntergang. Der Rauchgeruch wurde beißender.
    Ein Wärter kam durch die eiserne Tür und herrschte die Gefangenen an. »Das Feuer ist weit weg!« brüllte er. »Ihr verbrennt schon nicht. Gebt Ruhe jetzt!«
    Er ließ die Tür halb offen, als er hinausging, und Selene hörte im allgemeinen Getöse plötzlich Andreas’ Stimme. Er stritt sich mit einem Wärter. Sie lief zur Tür, um zu sehen, was los war. Der Wärter blickte stirnrunzelnd auf ein Blatt Pergament. Andreas sagte: »Du kennst das Siegel des Kaisers. Da ist es. Setze Paulina Valeria augenblicklich auf freien Fuß, sonst mußt du die Konsequenzen tragen.«
    Während der Wächter sich unschlüssig am Kopf kratzte – die Gefangene war auf Befehl
Agrippinas
hier –, warf Andreas Selene einen warnenden Blick zu. Sie blieb hinter der Tür.
    Schließlich gab der Mann klein bei. »Also gut«, sagte er. »Eigentlich müßte der Befehl ja von der Kaiserin kommen, aber …«
    Er sperrte Paulinas Zelle auf. Schnell, aber doch nicht so schnell, daß sie aufgefallen wären, gingen die drei hinaus. Als sie draußen in der rauchgeschwängerten Nacht standen, sagte Andreas: »Wir müssen Rom sofort verlassen. Claudius ist tot.«
    »Was?«
    »Er war beim Abendessen, als ich ihn wegen Paulina aufsuchte. Er war betrunken und bestand darauf, daß ich mich zu ihm setze. Agrippina drängte ihm eine zweite Portion Pilze auf, die sein Vorkoster nicht probiert hatte. Daran ist er gestorben. Agrippina
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