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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten
Autoren: Steven Erikson
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leben.«
    »Warum?«
    Der Tiste Andii gab keine Antwort. Er zog das Kettenhemd über die Schultern. Als es an ihm herunterglitt, hörte es sich an, als sei es flüssig. Dann griff er nach dem Schwert.
    »Es sieht aus, als würde es sofort zerbrechen, wenn es auf eine schwerere Waffe prallt.«
    »Das wird es nicht tun. Dieses außergewöhnliche Schwert hat viele Namen.« Darist hob es von den Haken. »Derjenige, der es gemacht hat, nannte es Rache. T’an Aros in unserer Sprache. Aber ich nenne es K’orladis.«
    »Und das bedeutet was?«
    »Kummer.«
    Ein leichter Schauer überlief Schlitzer. »Wer hat es gemacht?«
    »Mein Bruder.« Darist schob das Schwert in die Scheide und legte das Wehrgehenk an. Dann griff er nach den Handschuhen. »Das war, bevor er eins gefunden hat, das … besser zu ihm passt.« Er drehte sich um; sein Blick wanderte über Schlitzer hinweg, vom Kopf bis zu den Füßen und wieder zurück. »Kannst du mit den Messern umgehen, die du an deinem Körper verborgen trägst?«
    »Einigermaßen, doch Blut zu vergießen bereitet mir keine Freude.«
    »Wozu sind sie denn sonst da?«, fragte der Tiste Andii, während er den Helm aufsetzte.
    Schlitzer zuckte die Schultern und wünschte, er wüsste selbst eine Antwort auf diese Frage.
    »Hast du vor, gegen die Edur zu kämpfen?«
    »Da sie nach dem Thron suchen – ja.«
    Darist neigte langsam den Kopf. »Aber dies ist nicht dein Kampf. Warum willst du ihn zu deinem machen?«
    »In Genabackis – meiner Heimat – haben Anomander Rake und seine Gefolgsleute sich entschlossen, gegen das malazanische Imperium zu kämpfen. Es war nicht ihr Kampf, aber sie haben ihn zu dem ihren gemacht.«
    Er war überrascht, als unter den gekrümmten Eisenstäben des Helms ein leichtes Lächeln über die verwitterten Gesichtszüge des Tiste Andii glitt.
    »Das ist interessant. Also gut, Schlitzer, folge mir – doch ich muss dir sagen, dass dies dein letzter Kampf sein wird.«
    »Ich hoffe nicht.«
    Darist ging ihm voraus nach draußen auf den breiten Korridor, dann durch einen schmalen, mit schwarzem Holz eingefassten Torbogen. Der Durchgang erwies sich als ein Tunnel aus einem einzigen Stück Holz, wie der hohle Kern eines gewaltigen, umgestürzten Baumstamms. Er führte leicht aufwärts und erstreckte sich immer weiter ins Zwielicht.
    Schlitzer schritt hinter dem Tiste Andii her. Das Geräusch, das Darists Rüstung machte, war so sanft wie das Rauschen von Regen an einem Strand. Der Tunnel endete abrupt, indem er nach oben abknickte; hier gab es keine Decke mehr, sondern nur noch einen senkrecht in die Höhe führenden Schacht. Eine grobe Leiter aus Wurzeln wies den Weg zu einer kleinen, blassen Scheibe aus Helligkeit.
    Langsam und gemessen stieg Darist die Sprossen hinauf. Schlitzer folgte ihm voller Ungeduld, bis ihm plötzlich der Gedanke kam, dass er vielleicht schon bald sterben würde; ab diesem Zeitpunkt bemächtigte sich eine dumpfe Mattigkeit seiner Muskeln, und er musste kämpfen, um mit dem alten Tiste Andii mitzuhalten.
    Schließlich kamen sie auf einem mit Blättern bedeckten gepflasterten Fußboden heraus. Speere aus Sonnenlicht, in denen der Staub tanzte, fielen durch schmale, eher Schlitzen ähnelnde Fenster und Lücken im Dach – der Sturm schien diesen Ort völlig unberührt gelassen zu haben. Eine Wand war größtenteils in sich zusammengefallen, und auf sie schritt Darist zu.
    Schlitzer folgte ihm. »Wenn man das alles einigermaßen in Stand gehalten hätte, wäre es sehr wohl zu verteidigen«, murmelte er.
    »Diese Gebäude hier oben sind nicht von den Andii – sie stammen von den Edur, und sie waren schon Ruinen, als wir das erste Mal hierher gekommen sind.«
    »Wie nah sind sie?«
    »Sie streifen durch den Wald, bewegen sich aufs Innere der Insel zu. Sie sind vorsichtig, denn sie wissen, dass sie nicht allein sind.«
    »Wie viele könnt Ihr spüren?«
    »Die erste Gruppe dürfte etwa zwanzig Mann stark sein. Wir werden uns ihnen im Hof entgegenstellen, wo wir genügend Platz haben, um mit dem Schwert zu kämpfen, aber zum Schluss auch zu einer Wand zurückweichen können.«
    »Beim Atem des Vermummten, Darist, wenn wir sie zurückschlagen, werdet Ihr wahrscheinlich vor Schreck sterben.«
    Der Tiste Andii warf dem Daru einen Blick zu und winkte. »Folge mir.«
    Sie durchquerten ein halbes Dutzend ähnlich verfallener Räume, ehe sie den Hof erreichten. Die doppelt mannshohen Mauern waren mit rebenumrankten Gittern versehen und hatten eine zackige
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