Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers
Autoren: Steve Erikson
Vom Netzwerk:
bisschen näher heran; sie winkte der dunkelhaarigen Frau kurz zu, ehe sie den Blick wieder auf den Mann namens Onos Toolan richtete. »Ich sehe mehr, als du dir vorstellen kannst«, sagte sie leise.
    Der junge Krieger legte den Kopf schief. »Wirklich?«
    »Oh ja, und was ich sehe, sagt mir, dass du schon sehr lange nicht mehr mit einer Frau das Lager geteilt hast.«
    Die Augen des Mannes weiteten sich – oh, solche lieblichen Augen, die Augen eines Geliebten. »In der Tat«, sagte er, und sein Lächeln wurde noch breiter.
    Oh ja, die Augen meines Geliebten …

Epilog
     
    Paran schob die Tür auf. Er schulterte seinen schweren, mit Gold gefüllten Rucksack und trat in das dahinter liegende Vorzimmer.
    »Raest! Wo bist du?«
    Der gepanzerte Jaghut tauchte von irgendwoher auf und blieb vor Paran stehen, sagte jedoch nichts.
    »Genau«, murmelte Paran. »Ich habe beschlossen, hier Quartier zu nehmen.«
    Raests Stimme war ein kaltes Krächzen. »So.«
    »Ja. Drei Wochen in dem verdammten Gasthaus waren genug, das kannst du mir glauben. Und hier bin ich nun, hab meinen ganzen Mut zusammengekratzt, bereit, mich im gefürchteten, verrufenen Finnest-Haus niederzulassen – und wie ich sehe, lassen deine Fähigkeiten als Hausmeister einiges zu wünschen übrig.«
    »Die beiden Körper auf der Schwelle – was wirst du mit ihnen machen?«
    Paran zuckte die Schultern. »Ich habe mich noch nicht entschieden. Irgendwas, nehme ich an. Aber zunächst einmal will ich dieses Gold loswerden – dann kann ich endlich mal wieder ruhig schlafen. Sie machen den Laden heute Nacht auf, weißt du …«
    »Nein, Herr der Drachenkarten, das weiß ich nicht«, erwiderte der riesige Krieger.
    »Ist auch egal. Ich habe gesagt, ich würde hinkommen. Beim Vermummten, ich bezweifle, dass sonst irgendjemand in dieser Stadt kommt, außer vielleicht Kruppe, Coll und Murillio.«
    »Wohin, Herr der Drachenkarten?«
    »Ganoes, bitte. Oder Paran. Wohin, willst du wissen? In Tippas neue Taverne, dahin.«
    »Ich weiß nichts von – «
    »Ich weiß, dass du nichts davon weißt, deshalb erzähle ich es dir ja – «
    »- und es kümmert mich auch nicht, Ganoes Paran, Herr der Drachenkarten.«
    »Tja, das ist dann eben Pech für dich, Raest. Wie gesagt, Tippas neue Taverne. Ihre und die von ihren Partnern, heißt das. Sie haben die Hälfte von ihrem Sold in dieses verrückte Projekt gesteckt.«
    »Verrückt?«
    »Ja – du kennst die Bedeutung von verrückt nicht?«
    »Ich kenne sie nur zu gut, Ganoes Paran, Herr der Drachenkarten.«
    Diese Worte geboten Parans Redefluss Einhalt. Er musterte das behelmte Gesicht, sah nur Schatten hinter den Schlitzen des Visiers. Ein leiser Schauer überlief den Malazaner. »Äh, ja. Jedenfalls haben sie den K’rul-Tempel gekauft, mitsamt Glockenturm und allem Drum und Dran. Haben ihn umgebaut, zu einer – «
    »Einer Taverne.«
    »Einen Tempel, von dem jeder in der Stadt sagt, dass es darin spukt.«
    »Ich könnte mir vorstellen«, sagte Raest und drehte sich um, »dass er in Anbetracht der Umstände nicht sonderlich teuer war …«
    Paran starrte dem gerüsteten Jaghut nach. »Bis später!«, rief er.
    Nur schwach hörte er die Antwort. »Wenn es denn sein muss …«
     
    Als Paran unter dem beschädigten Torbogen hindurch auf die Straße hinaustrat, wäre er beinahe über eine gebrechliche, in einen Umhang gehüllte Gestalt gestolpert, die ungeschickt auf dem Rand des Rinnsteins saß. Eine schmutzige Hand reckte sich aus den Lumpen dem Malazaner entgegen.
    »Freundlicher Herr! Eine Münze, bitte! Nur eine einzige Münze!«
    »Zum Glück für dich kann ich mehr als eine entbehren, alter Mann.« Paran griff nach der Lederbörse, die in seinem Gürtel steckte. Er zog eine Handvoll Silbermünzen heraus.
    Der Bettler ächzte und zog sich ein bisschen näher an ihn heran. Seine Beine schleppte er wie tote Lasten hinter sich her. »Ein wohlhabender Mann! Hört mir zu. Ich brauche einen Partner, großzügiger Herr! Ich habe Gold. Räte! In einem Versteck an den Hängen des Tahlyn-Gebirges. Ein Vermögen, Herr! Wir müssen nur eine Expedition ausrüsten – es ist nicht weit.«
    Paran ließ die Münzen in die Hände des alten Mannes fallen. »Ihr habt einen vergrabenen Schatz, mein Freund? Gewiss.«
    »Mein Herr, die Summe ist gewaltig, und ich würde mich freudig mit der Hälfte zufrieden geben – Ihr bekommt mindestens das Zehnfache Eurer Investitionen zurück.«
    »Ich brauche keine weiteren Reichtümer.« Paran lächelte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher