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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum
Autoren: Raymond Khoury
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Krankenschwester. Unsere kleine Klinik lässt sich zwar
     nicht mit den Einrichtungen vergleichen, die Sie aus Amerika gewöhnt sind, aber wir haben viel Erfahrungmit allen Arten von Verletzungen. Selbst auf kleinen Inseln wie dieser passieren Unfälle.» Er musterte sie eingehend und fügte
     hinzu: «Haben Sie schon mit ihm gesprochen?»
    «Gesprochen?»
    «Das sollten Sie unbedingt machen. Ihm Kraft geben.» Er klang beinahe väterlich. «Sie glauben jetzt sicher, Sie wären beim
     Zauberdoktor gelandet. Ganz und gar nicht. Es gibt viele Studien von renommierten Medizinern, die diese These stützen. Es
     ist durchaus möglich, dass ein Komapatient hört, was um ihn herum vorgeht. Er kann nur nicht reagieren   … noch nicht.» Seine Augen waren voller Hoffnung und Mitgefühl. «Reden Sie mit ihm   … und beten Sie.»
    Tess lachte leise und wandte sich nachdenklich ab. «Das liegt mir nicht besonders.»
    Mavromaras schien ihr das nicht abzunehmen. «Sie machen es im Grunde schon, ohne es selbst zu merken. Allein der Wunsch, er
     möge gesund werden, ist wie ein Gebet. Und es gibt viele, die für ihn beten.» Der Arzt deutete auf eine kleine Kapelle. Einheimische
     kamen und gingen, sie grüßten sich an der Tür. «Viele Männer hier leben vom Meer. In der Sturmnacht waren vier Fischerboote
     auf See. Die Familien haben zu Gott und dem Erzengel Michael gebetet, dem Schutzpatron der Seeleute, und ihre Gebete wurden
     erhört.
    Alle Männer kehrten unverletzt zurück. Nun sprechen sie Dankgebete und bitten auch um die Genesung Ihres Freundes.»
    «Sie beten alle für seine Genesung?»
    Der Arzt nickte.
    «Aber sie kennen ihn doch gar nicht.»
    «Das macht nichts. Das Meer hat ihn zu uns geführt, und jetzt ist es unsere Pflicht, ihn gesund zu pflegen.» Er stieg insAuto. «Ich muss wirklich los.» Er winkte flüchtig und rollte durch die schlammigen Pfützen den Hügel hinunter.
    Einen Moment lang sah Tess ihm nach. Sie wollte ins Haus gehen, zögerte aber. Wann war sie zuletzt aus privaten Gründen in
     einer Kirche gewesen? Sie überquerte die Straße, ging über den kleinen gepflasterten Hof und betrat die Kapelle.
    Sie war etwa zur Hälfte gefüllt. Die Menschen knieten ins Gebet vertieft zwischen den alten Bänken, die vom vielen Gebrauch
     ganz glatt poliert waren. Es war ein schlichter Raum mit weiß getünchten Wänden, deren Fresken aus dem achtzehnten Jahrhundert
     von zahllosen Kerzen beleuchtet wurden. In einer Nische entdeckte sie versilberte Ikonen der Erzengel Gabriel und Michael,
     die mit kostbaren Steinen verziert waren. Inmitten des flackernden Kerzenscheins und der gemurmelten Gebete überkam sie plötzlich
     der seltsame Drang mitzubeten. Sie versuchte, ihn zu unterdrücken, weil er ihr wie Heuchelei vorkam.
    Tess wollte schon gehen, als sie die beiden Frauen sah, die ihr am Vortag Essen und Kleidung gebracht hatten. Bei ihnen waren
     zwei Männer. Die Frauen eilten herbei und zeigten sich aufrichtig erfreut über ihre rasche Genesung. Sie wiederholten immer
     wieder den Satz «
Doxa to Theo
». Tess verstand die Worte nicht, doch sie nickte lächelnd und gerührt. Die Männer der beiden begrüßten sie ebenfalls herzlich.
     Eine der Frauen deutete auf eine Reihe Kerzen, die in einer Nische am Ende der Kapelle brannte. Mit etwas Mühe verstand Tess,
     dass die Frauen die Kerzen für Reilly angezündet hatten.
    Tess bedankte sich, schaute noch einmal zu den Betenden im Mittelschiff und verließ die Kapelle.
     
    Den Rest des Morgens verbrachte sie bei Reilly und stellte fest, dass sie doch mit ihm sprechen konnte. Sie vermied es, die
     jüngsten Ereignisse zu erwähnen, und hielt sich, da sie kaum etwas über ihn wusste, an ihre eigene Vergangenheit. Sie berichtete
     von abenteuerlichen Ausgrabungen, Erfolgen und Niederlagen, erzählte lustige Geschichten über Kim und alles, war ihr gerade
     in den Sinn kam.
    Gegen Mittag kam Eleni und rief Tess zum Mittagessen. Der Zeitpunkt war ideal, da ihr allmählich die Themen ausgingen und
     sie sich gefährlich nahe an die Ereignisse wagte, die sie gemeinsam durchgestanden hatten.
    Mavromaras war inzwischen von seinem Krankenbesuch zurückgekehrt. Tess sagte ihm, es sei wohl besser, wenn Reilly hier im
     Hause bliebe, falls es ihm und seiner Frau recht sei. Die beiden schienen sich darüber zu freuen, und Tess war erleichtert,
     dass sie so lange bleiben konnten, bis eine endgültige Entscheidung getroffen werden musste.
     
    Den Nachmittag und den
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