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Science Fiction Almanach 1981

Science Fiction Almanach 1981

Titel: Science Fiction Almanach 1981
Autoren: H. J. Alpers
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das rauhe Stampfen der Rockmusik hören, die Ricky liebte und unaufhörlich spielte. Während der gesamten drei Monate, die sie nun zusammen unterwegs waren, hatte er noch nie gehört, daß das Radio ausgeschaltet gewesen wäre. Im Ve r lauf ihrer Tour änderten sich die Dialekte der Ansager, aber die Musik blieb die gleiche. Lynellen klopfte gegen die Tür. Als Millicent sie öffnete, erhob sich die Musik zu einem Schrei und klang wie eine Seele, die in die Nacht entfloh. Lila röhrte in ihrem Käfig. Sie hörte sich einsam an. A ngelo stand auf.
    Einen Zirkus kann man überall aufschlagen. Jeder liebt einen Zirkus. Man braucht nur einen Platz, der groß genug ist, und genügend viele hilfsbereite Leute, um die Zelte au f zustellen, das Gelände sauberzuhalten, den Tieren Wasser zu geben und sie zu füttern und um am Telefon zu sitzen. Ma r vel der Zauberer und sein Miniaturjahrmarkt brauchte nur wenig Platz: einen Park, ein altes Baseballstadion, irgende i nen Platz mit einem Wasseranschluß und eine Stelle, an der man das Tor aufstellen konnte. Wenn ein Zirkus in die Stadt kommt, gibt es immer Leute, die helfen wollen. Kinder, die die großen Straßen beobachten, sehen, wie die Wagen in die Stadt rollen, und schleifen ihre Eltern (die an frühere Zirku s se gute Erinnerungen haben) herbei, um sich die Sache a n zusehen. Sie reißen ihre Augen auf, wenn Jugger und A ng e lo, der Elefant und der Tierbändiger (auch Löwenbändiger, starker Mann und Fänger am Trapez), das große Zelt auf dem Platz ausbreiten. A ngelo und Jugger hatten diese gle i che Szene nun in vier Staaten gespielt. Sie würden sie heute abend in dieser Stadt in Indiana wieder spielen. Ricky und Millicent in ihrer Clownsmaske, Lynellen in ihrem münze n bestickten Kostüm, Tony in seinem Trikot und Marvel der Zauberer gingen in der Menge umher und riefen: „Helft den Zirkus aufbauen! Herbei mit euch!“
    Und die jungen Leute, gerade mit der Schule fertig und noch auf ihrer Farm zu Hause, folgten dem riesigen schwa r zen Zirkusdirektor oder den Liliputanerclowns oder den umhertanzenden Akrobaten zu dem Berg von Zeltplanen, wo A ngelo ihnen seine Anweisungen erteilte: „Hier, halt das fest … hol die Pfähle da … das Gerüst ist aus Alumin i um, aber das macht keinen Unterschied … wenn die Sonne untergeht, dann steht das Zelt …“ So schweißte er sie mit Geplapper und Witzen zu einer unbeholfenen Mannschaft zusammen, die tatsächlich das Zelt bis zum Sonnenunte r gang aufgerichtet hatte. Das klappte immer. Wenn bei So n nenuntergang die Beleuchtung anging, dann brachten sie ihre Freunde zum Zelt. „Siehst du das hier? Diesen Pfahl hier habe ich eingerammt, mit A ngelo zusammen, das ist der starke Mann. Grüß dich, A ngelo!“ A ngelo winkte ihnen a l len zu und erfand Namen für sie – „Grüß dich, Curly, grüß dich, Lefty, wie geht’s?“ –, und sie wurden ein Stück größer und grinsten.
    Manchmal beschwerte sich Ricky: „Ist das vielleicht eine Art, einen Zirkus aufzustellen?“
    Millicent hatte darauf immer die gleiche Antwort: „Ganz genau die richtige.“ Alle wußten, daß sie recht hatte. Der Zirkus war mehr als ein Beruf. Er war eine Leidenschaft, er war ihr Leben, außer ihm gab es nichts. Sie alle, A ngelo und Lynellen und Ricky und Millicent und Tony, selbst Lila und Jugger (kurz für Juggernaut) waren Barnum-Abfälle. Sie waren mit ihrem Akt aus einem anderen Zirkus hinausg e worfen worden, weil er zu schlecht, zu gut, zu einfach, zu kompliziert, zu schwerfällig oder zu altmodisch war. Lyne l len war Stripperin gewesen, Tony hatte in Dallas Kunststü c ke vorgeführt, A ngelo hatte sich von einem Jahrmarkt zum nächsten durchgeschlagen, als Marvel ihn in die Truppe aufnahm. Sie alle hätten ihr Haut dafür hergegeben, um Marvel der Zauberer und sein Miniaturjahrmarkt am Leben zu erhalten.
    A ngelo hörte Lilas unruhige Schritte. „Hallo, Schät z chen.“ Sie drehte ihm ihren großen Kopf zu, lehnte es aber ab, stehenzubleiben. Er setzte sich hin und sprach mit ihr. Schließlich wurden ihre Schritte langsamer. Sie blieb gegen die Gitterstäbe gelehnt stehen und leckte ihm mit einer Geste von Vertrauen und Zuneigung rauh die Hand, die er zu ihr hineinstreckte. Sie hatte ihn noch nie verletzt, außer wenn sie Angst hatte. Tony machte seine Witze über sie: „Ihre Mutter war ein Kätzchen.“ Sie war die zahmste Löwin, die A ngelo je gesehen hatte.
    Er verabschiedete sich von ihr und ging zu dem anderen Käfig,
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