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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth
Autoren: Amanda Sthers
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zurückkommst. Mama leidet. Sie bekommt Schmerzmittel, aber keine echte Therapie. Es war zu spät. Der Krebs ist überall.
    Und er ist auch bei dir, wo du auch sein magst. Du kannst nur den Gerüchen, dem Hautkontakt und den Gesten entfliehen. Die Realität ist bei dir, David, ich weiß es.
    Annabelle

Monique Duchêne an Harry Rosenmerck
    Paris, 20. November 2009
    Lieber Harry,
    jetzt, wo die Lichter ausgehen, habe ich Lust zu lachen! Es sind bestimmt die Medikamente, die man mir gibt. Ich würde gern tanzen, oh ja. Mit dir. Auch allein. Einen verrückten Twist wie in meiner Jugend. Wenn ich es mir vorstelle, fühle ich mich immer noch wie zwanzig.
    Das wäre ein guter Anfang für meine Psychotherapie. Wenn ich sie endlich beginnen würde. Aber ich habe immer Angst, Termine zu verpassen, weißt du, und ich glaube nicht, dass ich in der Lage sein werde, den nächsten wahrzunehmen.
    Er ist da, Harry. Er ist überall um mich herum. Er ist weniger schrecklich, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich weiß nicht, ob wir uns wiedersehen werden, aber wenigstens haben wir uns wiedergefunden.
    Monique

David Rosenmerck an Monique Duchêne
    Marrakesch, 1. Dezember 2009
    Liebe Mama,
    ja,keinLebenszeichenseitvieroderfünfMonaten.Seitdumirgesagthast,dassdukrankbist.Dasistwidersinnig.Ichhättebleibensollen.IchhättemitdirverschmelzensollenwieeinKind.DiekurzeZeitnutzen.Aberichbinweggelaufen.
    Ich weiß nicht, warum. Ich bin nicht wie Annabelle, die alles analysieren kann. Ich folge meinen Taten und meinem Instinkt. Ich habe mich im Hotelzimmer eingesperrt, die Minibar geplündert. Ich schreibe ohne Pause. Bei Laurent habe ich mich auch nicht gemeldet. Er hat wahrscheinlich Kontakt zu dir aufgenommen. Vielleicht wollte ich weiterhin das Kind bleiben, um das man sich Sorgen macht. Ich will dich nicht zusammenfallen sehen. Ich will dir nicht im Krankenhaus den Hintern abwischen und dir sagen, dass dir die Perücke gut steht.
    Ich will frei sein, befreit von dir, von Papa und Annabelle. Ich nehme an, es ist nicht möglich. Ihr seid meine Gefangene und ich bin euer. Wir sind eine Familie. Eine Familie, die sich schreibt, die sich nicht berührt, die keine Kochgerüche in der Küche des anderen einatmet, aber dennoch eine Familie.
    Wie geht es dir? Wer kümmert sich um dich?
    Diese Ankündigung des Endes ist immer seltsam. Sicher, man kennt es ohnehin. Es ist bloß der Countdown, der schockiert. Ein Jahr. Höchstens ein Jahr. Es bleiben mir elf Monate, um kein Sohn mehr zu sein, elf Monate, um dieses Schweigen zu rechtfertigen.
    Ich bin nicht nach Israel geflogen. Ich bin auch nicht bei mir selbst geblieben. Ich bin geflohen.
    Das ist die Wahrheit.
    Ich bin heute Abend zum ersten Mal seit langer Zeit rausgegangen. Ich hatte fast vergessen, in welcher Stadt ich war! Die Hitze schlug mir ins Gesicht. Ich hatte mit Klimaanlage gelebt. Die Gerüche, die Gesichter, alles strömte auf mich ein und ich habe geweint, Mama. Wie ein Kind, das ins Leben kommt. Dein Kind, das die Nabelschnur durchtrennen muss, die uns verbindet. Heute Abend bin ich neu geboren worden. Ich bin ein Dreckskerl, nicht wahr? Ich sollte dir helfen, dir sagen, dass du es schaffen wirst. Dich quer durch die ganze Welt begleiten, um berühmte Spezialisten aufzusuchen, in unseren Fotoalben blättern, dir dein Lieblingsgericht kochen, kämpfen, so sagt man es doch, oder?
    Â»Du musst kämpfen, du wirst es schaffen.«
    Das sagen sie in den Filmen. Ich hätte mir gewünscht, ein Filmheld zu sein, und dass wir am Ende gewinnen.
    Anbei Fotos von deinem Kind, das zu dir zurückkommt.
    Bis morgen,
    David

Annabelle Rosenmerck an Harry Rosenmerck
    Paris, 2. Dezember 2009
    Mein Papa,
    wie ich dir schon gestern am Telefon sagte, ist Mama heute Nacht gestorben. Du hast kein Wort gesagt, du hast nicht geantwortet. Ich habe dich seitdem nicht erreichen können. Sie ist schnell von uns gegangen, schmerzfrei. Dr. Maurice Blet, den du auch kennst, hat uns beiden sehr geholfen. David ist heute Morgen aus Marokko zurückgekommen, fast so mager wie sie, als hätte er ihr Leid mitgetragen, ihren Weg geteilt. Er dachte, sie würde ihn in den Arm nehmen. Er hatte nicht gedacht, dass sie so schnell davongehen würde, dass es so ernst war. Er ist völlig aufgelöst, Papa, wie ein Kind. Selbst in der Ferne, selbst weit weg, war er ihr näher als ich es jemals gewesen bin.
    Ich kann das
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