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Schwarzlicht (German Edition)

Schwarzlicht (German Edition)

Titel: Schwarzlicht (German Edition)
Autoren: Horst Eckert
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da war kein versteckter Tresor. Nach gut einer Stunde musste er sich eingestehen, dass der Kollege schlauer war, als er gedacht hatte. Ingo bewahrte die acht Millionen an einem anderen Ort auf. Aber wo?
    Keller, Dachboden, der Kofferraum im Wagen.
    Eine andere Wohnung.
    Das ist es, sagte sich Vincent und nistete sich im Arbeitszimmer ein. Er zog erneut die Schubladen des Schreibtisches auf, entdeckte Notizbücher und blätterte in Aktenordnern. Es dauerte eine Weile, aber schließlich fand sich Vincent in den Aufzeichnungen zurecht.
    Momentan hatte der Teilzeitmakler Ingo Ritter nur drei Wohnungen im Angebot. Zwei davon kannte Vincent bereits. Das möblierte Parkblick-Apartment des schwulen Designers, zu dem er noch den Schlüssel besaß, sowie die Düsselstraße achtunddreißig, wo sich Blümchen mit ihrer Tochter versteckt gehalten hatte.
    Vincent schrieb die dritte Adresse auf.
    Da hörte er Stimmen im Treppenhaus, das Rasseln eines Schlüsselbundes.
    Vincents Herz begann wild zu pochen.
    Mit wenigen Schritten verbarg er sich im Badezimmer. Die Tür ließ er angelehnt. Es war dunkel und muffig, in seinen Kniekehlen spürte er das Klo.
    Das Schloss knackte, Schritte scharrten.
    Vincent betete, dass Ingo nicht gleich das Arbeitszimmer betreten würde. Mit dem ersten Blick auf den Schreibtisch würde der Kollege erkennen, dass sich jemand an seinen Unterlagen zu schaffen gemacht hatte.
    «Shit, ey, seltsam!» Ingo Ritters Stimme.
    «Was ist?» Eine Frau, die Vincent nicht kannte.
    «Ich hätte schwören können, dass ich die Tür heute Morgen abgeschlossen habe.»
    «Geht mir auch immer so.»
    Unmittelbar vor dem Bad blieben die beiden stehen und küssten sich. Durch den Türspalt bemerkte Vincent, dass Ingo ein violettes Hemd zur Jeans trug. Auf seinem Hintern ruhten Frauenhände mit weiß lackierten Nägeln. Ausdauernde Knutschgeräusche.
    Noch nie war sich Vincent seiner Atmung so bewusst gewesen wie in diesem Moment. Er zwang sich, flach und langsam Luft zu holen.
    «Was ist das denn?», hörte er die Frau fragen.
    «Wonach sieht’s denn aus?»
    «Hast du das Schießeisen immer bei dir?»
    «Was meinst du, mit welcher Kundschaft ich es zu tun habe? Da heißt es gewappnet sein.»
    «Ist die geladen?»
    «Vergiss die Walther. Fühl mal, wie geladen dieses Ding hier ist!»
    «Hey.»
    Knutschgeräusche, Gefummel.
    «Wollen wir miteinander duschen?», fragte Ingo.
    Vincent spürte, wie sein Puls hämmerte.
    «Lass mal, du weißt doch, dass ich nur Zeit für einen Quickie hab.»
    Mit Erleichterung vernahm Vincent, dass die beiden weitergingen. Die Polsterlandschaft im Wohnzimmer knarrte und quietschte. Vincent überlegte, ob das ein guter Moment war, sich davonzustehlen.
    «Sorry», sagte die Frau.
    «Wieso?»
    «Ich muss mal, bin sofort wieder da.»
    «Du weißt ja, wo’s langgeht.»
    Vincent wich zurück, taumelte und bekam den Toilettendeckel zu fassen. Wo gab es Deckung? Nur schemenhaft erkannte er das Innere des Badezimmers.
    Die Dusche.
    Beim Einstieg stieß er sich das Schienbein an. Fast hätte er ein Regal mit Shampoos und Duschgels abgeräumt. Der Vorhang roch nach Schimmel.
    Das Licht ging an, die plötzliche Helligkeit ließ Vincent blinzeln. Sein dringendster Wunsch war in Erfüllung gegangen: Der Kunststoffvorhang war nicht transparent.
    Er hörte einen Reißverschluss. Der Deckel klapperte. Ein kurzes, aber heftiges Plätschern. Vincent traute sich nicht, Luft zu holen. Endlich erlöste ihn das Rauschen der Klospülung.
    Der Wasserhahn, dann erlosch das Licht. Es war wieder dämmrig in Vincents Versteck. Dämmrig und muffig und eng zwischen Plastikstoff und Shampooregal.
    Er schob den Vorhang etwas zur Seite. Ingos Damenbesuch hatte die Tür offen gelassen. Genau gegenüber befand sich das Schlafzimmer, wo der Kollege gerade ein Telefonat beendete. Die Frau zog sich aus und hängte ihre Klamotten sorgfältig über einen Stuhl. Ingo ließ seine Sachen zu Boden fallen.
    Vincent sah keine Chance, unbemerkt abzuhauen. Minuten vergingen. Die Frau keuchte und stöhnte, es klang gekünstelt, als müsse sie etwas beweisen.
    Danach redeten sie nicht viel. Ingo bot Kaffee an. Die Frau lehnte ab, sie habe es eilig. Eine kurze Verabschiedung, Schritte auf dem Flur, die Tür.
    Vincents Hoffnung, auch Ingo Ritter würde zur Arbeit zurückkehren, wurde enttäuscht.
    Ein leises Pfeifen durch die Zähne, fast tonlos, der Kollege kam näher. Vincent erkannte die Melodie: Neunundneunzig Luftballons .
    Der Duschvorhang
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