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Schwarzkittel

Schwarzkittel

Titel: Schwarzkittel
Autoren: Harald Schneider
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Fußballfeld war. Als sportlich nur schwer zu begeisternde Person hatte ich solche Arenen bisher nur im Fernsehen gesehen. Was mich hier stutzig machte, war das kahle Ambiente der großen Fläche. Ohne Zuschauer und ohne die tierischen Protagonisten war dieser Platz wirklich kein optischer Leckerbissen.
    An der Stirnseite der Rennbahn in Richtung Ortsbebauung sichtete ich meine Kollegen bei der Arbeit. Ein halbes Dutzend Nussbäume standen verstreut zwischen der Bahn und einem kleinen Erdwall, der offensichtlich als Tribüne für Stehplatzzuschauer genutzt wurde. Die Spurensicherung war eifrig bei der Sache. Das freigegebene Terrain war sehr begrenzt, was ich an dem speziellen Absperrband der Spurensicherung erkannte.
    In diesem Moment hatte mich Gerhard auch schon erkannt. Mit seiner behänden Leichtigkeit kam der Marathonläufer, der zugleich mein Lieblingskollege war, angesprungen. Gerhard war zurzeit mal wieder im siebten Himmel. Seit zwei Wochen war er mit seiner Maria zusammen. Die Dauer der Beziehung war schon fast rekordverdächtig lang. Erst gestern hatten ihn die Kollegen mit Fragen nach seinen Heiratsplänen konfrontiert. Doch davon wollte Gerhard bisher nie etwas wissen. Ich wunderte mich jedes Mal, wie er es trotz seiner unaufhaltsam zurückgehenden Haarpracht schaffte, ständig die schärfsten Bräute an Land zu ziehen.
    »Na endlich. Bist du mit dem Fahrrad gekommen?«, begrüßte er mich.
    »Mit was denn sonst?«, konterte ich. »Mit meinem Gehalt kann man sich keinen Führerschein leisten.«
    »Na, dann komm mal mit, mein alter Radfahrer. Hier drüben, der zweite Baum von links. Dort hat man ihn gefunden. Seine Leiche wurde gerade abtransportiert, eigentlich müsstest du das noch mitbekommen haben.«
    Ich nickte. »Gibt es inzwischen einen Namen?«
    »Der Mann hieß Karlheinz Dipper. Doktor Karlheinz Dipper. Übrigens war er hier im Dorf ein sehr beliebter Kinderarzt.«
    Gerhard schien zu wissen, dass Haßloch trotz seiner knapp 21.000 Einwohner nach wie vor als Dorf galt und sich bis heute nicht um die Stadtrechte bemüht hatte.
    »Wer hat ihn entdeckt?«
    »Das ist ziemlich tragisch. Ausgerechnet seine Frau Elli musste ihn finden, als sie mit ihrem Hund Gassi war. Die Arztfamilie wohnt hier gerade um die Ecke im Föhrenweg. Wir mussten die Frau mit einem Schock ins Krankenhaus bringen lassen.«
    Gerhard zeigte auf einen fast waagerechten Ast in etwa drei Meter Höhe. »Auch ohne das Pappschild ist die Sache eindeutig. Wir haben keine Leiter oder Ähnliches gefunden und der Stamm ist zu mächtig, um daran hochzuklettern. Außerdem haben wir keinerlei Spuren daran gefunden.«
    »Das Opfer wurde also mit fremder Hilfe dort aufgehängt? Ist die Todesursache eindeutig?«
    »Der Notarzt vermutet die Strangulation als einzige Ursache. Näheres wird erst die Obduktion zeigen.« Gerhard winkte einen Kollegen herbei, der ihm eine in einer Plastiktüte konservierte Papptafel übergab. »Schau her, das ist das ominöse Schild.«
    »Aufs falsche Pferd gesetzt«, las ich den mir bereits bekannten Text laut vor. »Hat der Herr Doktor manchmal gewettet? Weiß man davon schon etwas?«
    »Tut mir leid, Reiner, das ist alles noch zu früh. Seine Frau konnten wir darauf derzeit nicht – was ist denn da vorne los?« Eine extrem tiefe Bassstimme im Schmerzbereich ließ uns aufhorchen. Ein Mann mit gewaltigem Bauch und wirren grauen Haaren stand in etwa 20 Meter Entfernung von uns auf der Laufbahn und fuchtelte mit den Armen. Mit seinen billigen und ausgewaschenen Drei-Euro-Shorts wirkte er wie eine der Nebenfiguren aus ›Einer flog über das Kuckucksnest‹.
    »Die Gerechtigkeit hat endlich gesiegt! Das Böse wurde eliminiert! Der Menschenfeind hat für seine Taten gebüßt!«
    Jetzt kniete er nieder und küsste den Boden. Zwei Beamte hatten ihn in diesem Moment erreicht. Gerhard und ich gingen ebenfalls zu dem mysteriösen Fremden, der sich gerade wieder erhob.
    »Guten Tag, mein Name ist Reiner Palzki«, stellte ich mich vor. »Mit wem habe ich die Ehre?«
    »Namen! Was sind schon Namen auf dieser Welt! Freue dich, freut euch alle, das Böse ist besiegt!«
    Aha, also doch. Ein Verwirrter. Jetzt hieß es, besonnen vorzugehen. Ein falsches Wort und er würde sich sperren. Ich versuchte es mit Trick 17, dem berühmten Honig ums Maul schmieren.
    »Wunderbar, Ihre Antwort, geschätzter Freund. Sie haben recht, Böses muss bestraft werden.«
    Seine Augen glupschten wie große Murmeln und er strahlte über beide
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