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Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo
Autoren: Michael Connelly
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Richtungen, um in der Nähe des Grabes ihre Kommentare aufzunehmen. Sie bauten sich im Halbkreis auf. So würde es aussehen, als wäre jeder Reporter exklusiv bei der Beerdigung gewesen. Bosch erkannte ein paar Leute, die ihm schon mal Mikros unter die Nase gehalten hatten. Dann merkte er, daß einer der Männer, den er eigentlich zu den professionellen Trauergästen gezählt hatte, in Wahrheit Bremmer war. Der Reporter von der Times trat vom Grab zurück und steuerte einen der Wagen an, die entlang der Zufahrtsstraße parkten. Bosch wartete, bis Bremmer fast an seinem Wagen war, dann kurbelte er die Scheibe herunter und rief ihn.
    »Harry, ich dachte, Sie liegen im Krankenhaus.«
    »Ich dachte, ich komm’ mal vorbei. Aber ich hatte nicht mit diesem Zirkus gerechnet. Habt Ihr nichts Besseres zu tun?«
    »Hey, ich gehör’ nicht zu denen. Das ist doch eine verdammte Scheiße.«
    »Was?«
    »Fernsehreporter. Also, was machen Sie hier? Ich dachte nicht, daß man Sie so schnell entlassen würde.«
    »Ich bin abgehauen. Wieso steigen Sie nicht ein, und wir fahren ein Stück?« Dann zeigte Bosch auf die Fernsehreporter und sagte: »Die könnten mich hier sehen, angreifen und uns überrollen.«
    Bremmer kam herum und stieg ein. Bosch nahm den Weg zum Westteil des Friedhofs. Er parkte im Schatten einer riesigen Eiche, von der aus sie das Vietnam Memorial sehen konnten. Einige Leute liefen dort herum, meist Männer, meist allein. Sie alle betrachteten schweigend den schwarzen Stein. Zwei der Männer trugen alte Tarnjacken mit abgeschnittenen Ärmeln.
    »Haben Sie schon die Zeitungen oder das Fernsehen zu dieser Sache gesehen?« fragte Bremmer.
    »Noch nicht. Aber ich hab’ gehört, was rausgegeben wurde.«
    »Und?«
    »Blödsinn. Das meiste davon jedenfalls.«
    »Können Sie mir was erzählen?«
    »Es darf nicht von mir kommen.«
    Bremmer nickte. Sie kannten sich schon lange. Bosch mußte sich nichts versprechen lassen, und Bremmer wußte Bescheid über die Unterschiede zwischen vertraulichen Informationen, Hintergrundinfos und Informationen ohne Quellenangabe. Ihr gegenseitiges Vertrauen basierte auf gegenseitiger Glaubwürdigkeit.
    »Um drei Dinge sollten Sie sich kümmern«, sagte Bosch. »Niemand hat sich nach Lewis und Clarke erkundigt. Die gehörten nicht zu meiner Observation. Sie haben für Irving drüben beim IAD gearbeitet. Wenn Sie das erst mal klargestellt haben, machen Sie ihnen die Hölle heiß, damit erklärt wird, was die beiden da zu suchen hatten.«
    »Was hatten die beiden da zu suchen?«
    »Das muß Ihnen jemand anders sagen. Ich weiß, daß Sie verschiedene Quellen im Department haben.«
    Bremmer schrieb in einem dieser langen, schmalen Notizbücher, mit denen sich Reporter immer verrieten. Er nickte, während er schrieb.
    »Zweitens: Finden Sie raus, was mit Rourkes Beerdigung ist. Wahrscheinlich wird sie irgendwo außerhalb von Kalifornien stattfinden. Irgendwo weit weg, damit die Medien hier nicht extra jemanden schicken. Aber schicken Sie trotzdem jemanden hin. Jemanden mit einer Kamera. Wahrscheinlich wird er der einzige sein. Wie bei der Beerdigung heute. Das müßte Ihnen doch was sagen.«
    Bremmer sah von seinem Notizbuch auf. »Sie meinen: kein Heldenbegräbnis? Wollen Sie sagen, Rourke hat in dieser Sache mit dringesteckt, oder hat er sie nur versaut? Himmel, das FBI – und wir, die Medien – machen aus dem Mann einen wiederauferstandenen John Wayne.«
    »Ja, na ja, ihr habt ihm das Leben nach dem Tod geschenkt. Ich denke, ihr könnt es ihm auch wieder nehmen.«
    Bosch sah ihn einen Moment an, überlegte, wieviel er preisgeben sollte, wann es für ihn zu einem Risiko werden würde. Einen Augenblick lang war er so wütend, daß er Bremmer alles erzählen wollte, was er wußte, und darauf scheißen, was passieren würde. Aber er tat es nicht. Seine Selbstbeherrschung kehrte zurück.
    »Was ist das dritte?« fragte Bremmer.
    »Beschaffen Sie sich die Militärakten von Meadows, Rourke, Franklin und Delgado. Das müßte den Zusammenhang herstellen. Sie waren in Vietnam, zur selben Zeit, in derselben Einheit. Da hat die ganze Sache angefangen. Wenn Sie soweit sind, rufen Sie mich an, und ich werde versuchen, Ihnen mit dem auszuhelfen, was fehlt.«
    Dann hatte Bosch plötzlich genug von dem falschen Spiel, das sein Department und das FBI spielten. Der Gedanke an den Jungen, Sharkey, kam ihm immer wieder in den Sinn. Tot auf dem Rücken, der Kopf in diesem seltsamen, ekelerregenden Winkel verdreht.
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