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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge
Autoren: Anna Jansson
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denke, du hast das Recht, jetzt die Wahrheit zu erfahren.«
     
    »Ich höre.«
     
    »Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.« Der alte Mann hielt kurz inne, um Mut zu sammeln, und legte seine schmalen Hände auf die Schultern des Sohnes. »Du bist ein Adoptivkind, Per. Und du hast eine Schwester. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht einmal weiß, wie sie heißt. Aber ich habe den Namen von eurer Mutter. Falls du Kontakt zu deiner Schwester aufnehmen willst, könnten wir gemeinsam versuchen herauszufinden, wo sie ist. Ich habe eine Telefonnummer. Mir ist klar, dass das jetzt ziemlich plötzlich kommt. Aber schon bald werden Britt und ich nicht mehr da sein, ich habe mir gedacht, es wäre gut für dich, wenn es noch jemanden gibt.«
     
    »Wie meinst du das? Ich habe eine Schwester?«
     
    »Sie wohnt in Örebro. Sie hat sich am Telefon nicht mit Namen gemeldet, sondern hat sich nur als Helens Tochter vorgestellt. Helen war deine Mutter. Sie lebt allerdings nicht mehr. Deine Schwester hat mich von ihrem Tod in Kenntnis gesetzt. Helen ist vorige Woche nach langer Krankheit in der Universitätsklinik gestorben.«
     
    »Moment mal, ich komme nicht ganz mit.«
     
    »Britt und ich haben dich adoptiert. Eine andere Familie hat deine Schwester aufgenommen. Deine Mutter war alleinerziehend. Sie war allerdings nicht ganz gesund. Den größten Teil ihres Erwachsenenlebens hat sie im Krankenhaus verbracht. Britt meinte, dass es nicht gut für dich sei, sie zu treffen. Als du älter warst, gab es dann nie einen passenden Moment, um dir von deiner Herkunft zu erzählen. Du warst so beschäftigt. Während deines Studiums wollten wir dich nicht stören, auch nicht damals, als du gerade in Kronviken angefangen hattest. Und dann bist du in den Kosovo gefahren.«
     
    »Wie ist sie gestorben?« Per wurde plötzlich bewusst, dass er das trockene Brotstück, das er in der Hand gehalten hatte, um die Enten damit zu füttern, zerkrümelt und so fest gehalten hatte, dass es als weißes Pulver auf der dunklen Jeans verteilt war.
     
    »Ich weiß nicht. Ich habe deine Schwester nicht mehr fragen können. Du kamst gerade in die Küche, und da habe ich das Gespräch mit ihr beendet. Das war feige von mir, das gebe ich zu. Ich habe mich mit den Jahren so daran gewöhnt, die Wahrheit zu verbergen, dass es ganz automatisch geschah. Und als ich sie wieder anrufen wollte, wurde mir klar, dass ich ihre Telefonnummer nicht habe, sondern nur die von Helen. Es tut mir leid. Ich kann es gut verstehen, wenn du findest, dass wir falsch gehandelt haben. Du hättest die Möglichkeit haben sollen, selbst zu entscheiden, ob du deine Mutter kennenlernen willst oder nicht.«
     
    »Ja, aber Mama wollte, dass ihr schweigt. Sollte ich nicht einmal erfahren, dass ich adoptiert bin? Dass ich eine Schwester habe?« Per trat einen Schritt zurück.
     
    »Wir konnten keine eigenen Kinder bekommen. Es war medizinisch gesehen völlig ausgeschlossen, doch wir sehnten uns so danach. Wir haben dich mindestens so geliebt, wie biologische Eltern es getan hätten. Ich glaube nicht, dass jemand anders dich mehr hätte lieben können, als wir es tun. Kannst du uns unsere Selbstsucht verzeihen? Mama und ich dachten, es wäre das Beste für dich.«
     
     
    3
     
    Auf der Zugfahrt nach Örebro hatte Per Arvidsson nicht die Zeit zum Nachdenken und Planen gehabt, die er sich erhofft hatte, als er in Kronviken eingestiegen war. Seine Schwester würde ihn am Bahnhof abholen. Er hatte keine Ahnung, wie sie aussah. Es gab einen Namen, Pernilla Gunnarsson, und eine zögernde Stimme am Telefon. Der Rest war bis auf Weiteres seiner Phantasie überlassen. Falls er eine Art Freundschaft zu ihr empfinden würde, dann würde er vielleicht die Stelle in Örebro annehmen, die man ihm angeboten hatte. Warum nicht? Alles war besser, als in Kronviken zu bleiben und zuzusehen, wie Maria Wern darum kämpfte, eine Ehe aufrechtzuerhalten, die aus Strohhalmen gebaut war.
     
    Der große, eigensinnige Arvidsson hatte versucht zu blasen und zu pusten, aber die Beziehung schien doch fester zu sein, als er vermutet hätte. Nach dem Gespräch mit Folke hatte er sich ein Herz gefasst und Maria am Abend vor der Abreise zum Essen eingeladen. Er hatte die Lage gepeilt, um dann, noch ehe sie ihm antworten konnte, den Ernst, den er in sich trug, lachend abzutun. Er hatte kurz seine Sehnsucht und seine Einsamkeit gestreift, es dann aber bei Doppeldeutigkeiten belassen. Sie hatte ihre Hand nicht
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