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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge
Autoren: Anna Jansson
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nur was für Weicheier. Hier draußen kühlen wir uns im feuchten Schoß von Mutter Natur ab.« Fünf nackte zitternde Männer auf einem Steg zeigten, was von ihm erwartet wurde: einmal in das oktoberkalte Wasser des Svartån einzutauchen. Svenne warf sich hinein und schnaubte wie ein Seeungeheuer. Arvidsson lag ganz still da und ließ sich ein Stück mit der Strömung treiben.
     
    Als sie sich wieder angezogen hatten, ging es zum Grillplatz am Wasserfall. Svenne zeigte auf eine kleine Insel im Fluss.
     
    »Hier sitzt in der Dämmerung der Nix und lockt die Weiber in Scharen zu sich. Er spielt so wehmütig und herzzerreißend, dass sie nicht widerstehen können. An der alten Brücke da hinten an der Straße kann man die Spuren sehen, die die Fingernägel der Frauen hinterlassen haben, wenn sie sich noch bis zum Letzten wehren wollten. Ich sag dir, sogar im Stahl der neuen Brücke gibt es solche Kratzspuren.«
     
    Nach einem Bier oder zwei hatte er das Gefühl, als wären die Jungs schon sein ganzes Leben lang seine Freunde. Nach noch ein paar Bier begann das gemeinsame Nachdenken über das Leben. Es ist nämlich eine Lüge, dass Männer nicht über Gefühle sprechen. Hier gab es Gefühle. Starke Gefühle. Die Tränen der Kränkung, wenn die Anforderungen größer gewesen waren als die Fähigkeiten. Siegertränen, wenn man es geschafft hatte, das zu retten, was schon verloren geglaubt war. Phantastische Lösungen für die allerheikelsten Probleme. Jeder trug sein Puzzlesteinchen bei, unterstützte und ermutigte die anderen. Wie kommt man an einen neuen Motor für einen Jaguar? Wo kriegt man die Originalteile für einen Thunderbird her? Heldenepen von den jüngsten Motocrossrennen wurden aus allen Blickwinkeln beleuchtet. Rauchende Zylinderköpfe. Perforierte Reifen. Berühmte Abfahrten. Per konnte vor seinem inneren Auge die Wikinger von Karlslund sehen, wie sie sich jubelnd im Morast tummelten.
     
    Auf dem nächtlichen Weg nach Hause kamen sie an der Mühle vorbei. Die Fassade leuchtete blendend weiß im Mondlicht. Sie blieben andächtig stehen und sinnierten über das Unerklärliche. Ein sichtbares Zeichen aus einer anderen Wirklichkeit, und als solches ein würdiger Abschluss für einen schönen Abend. Svennes Stimme bekam fast etwas Religiöses.
     
    »Es sind also diese drei: Glaube, Hoffnung und Liebe. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Aus dem Fenster da oben hat sich eine Müllerstochter gestürzt und sich den Hals gebrochen. Sie hat sich das Leben genommen, weil sie den Mann, den sie liebte, nicht bekommen hat. Daraufhin ist ein Kreuz aus Blut unter dem Fenster sichtbar geworden. Egal, wie oft sie die Fassade auch neu streichen oder verputzen, die Wahrheit kommt immer wieder zum Vorschein. Nach einiger Zeit ist das rote Kreuz wieder zu sehen. So stark war ihre Liebe.« Ganz schwach waren die Linien des roten Kreuzes im Putz der Fassade zu erkennen.
     
    »Es heißt, dass es auch oben auf dem Herrensitz spukt«, fuhr Svenne fort. »Die Liebe, die den Tod überwindet, gibt sich zu erkennen und schert sich kein bisschen um Zeit und Raum. Es war einmal ein Adelsfräulein, das sich in einen armen Sämann verliebt hatte. Um Ärger zu vermeiden, schickte ihr Vater ihn davon. Niemand hat dem jungen Mädchen erzählt, was passiert war. Und noch heute kann man sie die Treppe herunterkommen sehen, wenn auf dem Herrensitz ein Fest ist. Dann sucht sie unter den Gästen nach ihrem Geliebten und bringt die Männer dazu, sich nach ihr umzudrehen. Sie versteckt das Besteck. Und manchmal macht sie die Kerzen aus. Sie pustet sie aus, sodass man ihren Atem verspürt, und dann hört man sie fragen: Wo bist du, mein Geliebter?«
     
    »Ganz schön dunkel hier unten am Wasser.« Arvidsson sah zum Herrensitz hinauf, der auf dem höchsten Punkt des Hügels lag und den Widerschein der Stadt auf sich zog. Hier unten fiel es nicht schwer, sich Wesen aus einer anderen Zeit vorzustellen, in der das Gut Landarbeiter, Weberinnen und Milchfrauen, Müller und Arbeiter im Ziegelsteinwerk beherbergt hatte.
     
    Svenne pfiff vor sich hin, nicht sonderlich schön, nicht sonderlich sauber. Sein Ehrgeiz war es offenkundig, mit den Tönen eine schaurige Stimmung zu erzeugen. Wenn Arvidsson sich getraut hätte, dann hätte er ihn gebeten, stillzuhalten. Es kann manchmal eine echte Belastung sein, das absolute Gehör zu besitzen.
     
     
    Gegen ein Uhr nachts kam Pernilla in einem gestreiften Herrenpyjama angeschlichen und rüttelte ihn
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