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Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht

Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht

Titel: Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
Autoren: Patricia Amber
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nur Unglück nach sich ziehen. Behalte einen kühlen Kopf, Mädchen – so manches hübsche Ding ist schon an einer dummen Liebesgeschichte zerbrochen und niemand konnte ihr mehr helfen.“
    Violet wusste nichts darauf zu sagen, denn Grace hatte zweifelsfrei recht. Viele der armen Mädchen, die hier in Whitechapel herumliefen und sich für einige Pennys verkauften, hatten sich einst in einen Kerl verliebt, der sie zuerst ausgenutzt und dann wie einen alten Kleiderfetzen weggeworfen hatte.
    Grace betupfte sich den Mund mit der Serviette und erhob sich dann von ihrem Stuhl, um dem Mädchen zu läuten. Als sie den Arm zum Klingelzug hob, öffnete sich ihr Morgenmantel ein kleines Stück und Violet konnte sehen, dass sie darunter völlig nackt war. Violet errötete. Ihre Eltern hatte sie dazu erzogen, dass eine Frau niemals ihren bloßen Körper zeigen durfte. Sogar wenn man ein Bad nahm, trug man ein Hemd, anders wäre es schamlos gewesen.
    „Du solltest über meine Worte nachdenken“, sagte Grace leichthin und zog den Morgenmantel um den Körper, als das Mädchen den Salon betrat. Mary war ein schmales, blassgesichtiges Wesen, eines der Mädchen, die überall vorüberhuschen können, ohne dass man sie bemerkt. Doch sie führte jede Anweisung zur Zufriedenheit ihrer Herrin aus, und ihre Anhänglichkeit war rührend.
    „Es gibt gewisse Dinge, die ich niemals tun werde“, gab Violet mit Entschiedenheit zurück.
    „Jede, wie sie mag“, konterte Grace. „Ich werde gleich 20 Schilling verdienen und heute Abend noch einmal die doppelte Summe. Vielleicht auch mehr. Spiel inzwischen hübsch Klavier, um diese blasierten Gipsfiguren im Green Palace zu amüsieren!“
    Damit ging sie aus dem Salon, wobei sie sich bemühte, ihren Körper leicht hin- und herzuwiegen, um ihre Hüften unter dem Morgenrock zur Geltung zu bringen. Violet blieb reglos auf ihrem Stuhl sitzen und starrte hinter der Freundin her, jedoch ohne sie recht wahrzunehmen.
    Über sechzig Schilling. An einem einzigen Tag verdiente Grace mehr als sie selbst in einem halben Jahr. Violets Glaube an das Gute in der Welt geriet stark ins Wanken. Wie konnte es sein, dass die Menschen für solch verabscheuungswürdige Lasterhaftigkeit mehr Geld bezahlten, als für einen guten Musikunterricht? Warum gelang es einem Mädchen mit Erziehung und festen moralischen Grundsätzen nicht, in dieser Welt ihren gerechten Lohn zu erhalten? War denn alles falsch gewesen, was ihre Eltern ihr beigebracht hatten?
    Sie spürte, wie ihr plötzlich die Tränen in die Augen schossen. Ach, Grace hatte ja nur zu recht. Ihre Mädchenträume von einer großen, romantischen Liebe, von einem zärtlichen Ehemann, der sie in sein Haus aufnehmen, sie mit allem versorgen und restlos glücklich machen würde – sie waren längst zerstoben. Aber es musste doch immerhin möglich sein, sich auf anständige Weise durchs Leben zu bringen.
    Die Hausglocke läutete und Mary ließ das halbgefüllte Tablett stehen, um die Tür zu öffnen. Aha – der Kunde war gekommen. Vermutlich einer jener Herren, die es sich leisten konnten, am Samstagvormittag ihrem Vergnügen nachzugehen, anstatt im Büro oder Geschäft zu sitzen. Hoffentlich ging er gleich zu Grace hinauf und erschien nicht zuerst hier im Salon, um mit ihr dummes Zeug zu schwatzen.
    Doch ihre Hoffnung schien sich nicht zu erfüllen, denn gleich darauf öffnete Mary die Tür, um einen Mann einzulassen.
    „Guten Morgen, Miss!“
    Violet hatte die Teekanne gefasst, um sie aufs Tablett zu stellen, doch beim Anblick des Eintretenden wäre das Geschirr ihr beinahe aus der Hand gerutscht. Vor ihr stand jener seltsame Mann, der sie gestern Abend mit seinen spöttischen Blicken durchbohrt hatte.
    „Guten Morgen, Sir.“
    Sie bemerkte, dass ihre Stimme dünn und zittrig klang, und sie ärgerte sich über sich selbst. Was war los mit ihr? Er war ein Kunde wie alle anderen auch. Es war nichts Besonderes an ihm.
    Er hatte Mantel und Hut im Flur abgelegt und trug einen dunklen Anzug aus gutem Stoff, der allerdings nicht mehr der neuesten Mode entsprach. Dennoch machte er eine hervorragende Figur darin, denn das Kleidungsstück war ganz und gar auf seine schlanken, hochgewachsenen Körperbau zugeschnitten. Sein Haar war dunkel und glatt nach hinten gekämmt, wodurch die starken, schön geschwungenen Augenbrauen zur Geltung kamen. Seine Augen lagen ein wenig tief, doch sie hatten einen durchdringenden Blick, der sein Gegenüber aufmerksam zu erkunden
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