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Schwarze Heimkehr

Schwarze Heimkehr

Titel: Schwarze Heimkehr
Autoren: Eric van Lustbader
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unterhielten, wurde sich Croaker der Tatsache bewußt, daß sich alle an Bord der Captain Sumo geändert hatten, er selbst eingeschlossen. Er beobachtete Rachel und Gideon, und der lebhafte Gesichtsausdruck seiner Nichte ließ ihm warm ums Herz werden. Vielleicht lag es zum Teil daran, daß sie sich ihrer Mutter offenbart hatte. Es gab genug Geheimnisse in der Familie, und man mußte nicht noch ein weiteres mit sich herumschleppen.
    Croaker hatte einige Zeit mit Rachel verbracht, und als er ihr schweigend ihr Tagebuch überreicht hatte, hatte sie gewußt, daß er es gelesen hatte. Er hatte in ihren Augen die Erleichterung erkannt, die sie nicht aussprechen konnte. Das ist eine Angelegenheit zwischen dir und Matty, hatte er gesagt, und Rachel hatte genickt. Du mußt ihr deine Aufzeichnungen zeigen und offen mit ihr darüber reden. Du darfst es nicht länger in deinem Inneren verschließen.
    Aber noch war es noch nicht soweit – noch war es für beide zu früh. Doch Croaker wußte, daß es geschehen würde. Nächste Woche. Nächsten Monat. Irgendwann bald.
    Während er Rachel jetzt im strahlenden Sonnenlicht beobachtete, schien es ihm, als hätte sie für eine lange Zeit in der Dunkelheit gelebt und wäre einer bösartigen Isolation ausgesetzt gewesen. Indem sie damit begonnen hatte, sich zu befreien, hatte sie mehr getan, als bloß zu überleben. Croaker erkannte, daß die Verwandlung nicht nur den
sukias
vorbehalten war.
    Matty hatte sich neben Gideon gesetzt und sich während der Mahlzeit mit ihr zu unterhalten begonnen. Das Gespräch war erst stockend verlaufen und seltsam vorsichtig und formell gewesen. Aber dann war ihre Unterhaltung natürlicher geworden, und Rachel hatte irgendwann erkannt, daß sich ihre Mutter bemühte, und ihre Haltung ihr gegenüber schien eine Spur weniger feindselig geworden zu sein.
    Zum Nachtisch servierte Bennie einen riesigen, dreistöckigen Schokoladenkuchen, Rachels Lieblingskuchen. In gelbem Zuckerguß stand darauf geschrieben: WIR FREUEN UNS, DASS DU WIEDER BEI UNS BIST, RACHEL. Er war mit grünen und gelben Sternen verziert und schmeckte so gut, daß alle zwei Stücke davon aßen. Während Bennie die zweite Runde auftischte, erschien Rachel hinter Croaker und schlang ihre Arme um ihn.
    »Danke, Onkel Lew«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Für alles.«
    Als er die Hände ausstreckte und ihre Wange küßte, spürte er, daß ihm heiße Tränen in die Augen stiegen.
    Nach dem Lunch ging Bennie nach hinten, um eine weitere Zigarre zu rauchen. Croaker leistete ihm Gesellschaft.
    »Seit du mir die Gebeine gegeben hast, die du auf Rafes Boot gefunden hast, muß ich immer an meinen Großvater denken.« Bennie blies sanft eine Rauchwolke aus, die vom Wind davongetragen wurde. »Vielleicht sogar schon länger.«
    Er schwieg für eine lange Zeit, und Croaker dachte an Antonios Worte: Die Unterweisung in
Hetá I
durch
Huma
i
t
á
war zuviel für Bennie. Er hat es seinem Großvater immer übelgenommen.
    »Eine Naturgewalt hat auf uns gewartet«‚ sagte Croaker schließlich. »Waren das nicht deine Worte, Bennie?«
    »Stimmt‚ das war
Humaitá
.« Bennie starrte auf das glühende Ende seiner Zigarre und schüttelte verwundert den Kopf. »Es war erstaunlich, was du mir über den Tigerhai in der Whipray Bay erzählt hast. Was zum Teufel hatte er dort zu suchen? Ich nehme an, daß er dem Tin Can Channel gefolgt ist. Da ist das Wasser tiefer. Aber trotzdem Es war kein Zufall.« Er zog an seiner Zigarre. »Das Biest war hinter Antonio her, als hätte es auf ihn gewartet, um eine Schuld einzulösen. Wenn es gewollt hätte, hätte es Hackfleisch aus dir machen können. Aber es kam anders.«
    »Das Merkwürdige ist, daß ich keine Angst hatte«, sagte Croaker.
    Bennie nahm die Zigarre aus dem Mund. »Keine Angst vor den Haien zu haben, ist eine verdammt kluge Einstellung, die du dir bewahren solltest.«
    »Es kommt mir so vor, als wäre der Geist deines Großvaters über meiner Schulter geschwebt, seit wir es mit dem ersten Tigerhai zu tun hatten.« Ein kleines Lächeln breitete sich auf Croakers Gesicht aus. »Er hat mir auch bei der letzten Auseinandersetzung beigestanden, So verrückt es sich auch anhören mag, ich weiß, daß es wahr ist.«
    »Ich habe da keine Zweifel,
Amigo
.« Bennie hob die Hand, und Croaker ergriff sie. »Weil er jetzt bei mir ist.« Sie blickten sich lange an, und etwas Unsichtbares, ein Funke jenseits von Sprache und Erinnerung, sprang über. Schließlich nickte Bennie.
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