Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwanengrab

Schwanengrab

Titel: Schwanengrab
Autoren: Petra Schwarz
Vom Netzwerk:
mich, und während ich meine Sachen schnell wieder verstaute, verdrängte ich den Gedanken, dass nun alles anders war als zuvor.
    »Hier! Der gehört dir wohl auch noch«, hörte ich eine Stimme, dann hielt mir jemand meinen Füller entgegen.
    Der Junge, der vor mir stand, war einen ganzen Kopf größer als ich. Er hatte kurze dunkelbraune Haare mit Seitenscheitel, trug eine braune Brille und ... einen Pullunder über seinem Hemd. Sogar das schüchterne Lächeln passte. Hätte ich den Inbegriff eines Strebers beschreiben müssen, er hätte es mit Sicherheit genau getroffen. Aber egal! Es war der erste Mensch an dieser Schule (außer den Lehrern natürlich), der mich nicht wie eine Aussätzige behandelte.
    »Ich heiße Christoph.«
    »Sam ... äh ... Samantha«, sagte ich lächelnd, machte den Mund aber gleich wieder zu. Meine hässliche Zahnspange musste er ja nicht unbedingt sehen.
    Er musterte mich, ohne etwas zu sagen.
    »Also ja, dann ...«, brachte ich hervor, um das unangenehme Schweigen zu brechen. Was sonst konnte man sagen, um ein Gespräch zu retten, das noch nicht mal richtig stattgefunden hatte?
    »Du bist die Neue aus den USA.« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
    Ich nickte. Er starrte mich weiter an. »Gibt’s sonst noch was?«, fragte ich unsicher.
    »Ah ... ähm ... nein! Entschuldige! Ich ...«, stammelte er. »Du hast mich nur an jemanden erinnert ... Die Haare ...«
    Unsicher fasste ich an meinen Kopf. Was war denn damit nicht in Ordnung?
    »Schwarz und nicht rötlich braun wie deine ...«, sagte er abwesend. »Und die gleichen grünen Augen.« Er schüttelte verwirrt den Kopf.
    Ich zog die Stirn in Falten. War er noch ganz dicht? »Wovon sprichst du?«
    »Ach ... nichts ...« Er blickte mich so intensiv an, dass ich verlegen wegsehen musste.
    »Sorry! Aber ich glaube, ich muss jetzt langsam wieder rein«, meinte ich steif. Zum Glück hatte es gerade geklingelt.
    »Ja, schon klar. Kein Problem. Also dann ...« Er hob leicht die Hand, um sich zu verabschieden.
    »Ja dann, bye!« Ich machte auf dem Absatz kehrt und eilte zurück.
    Der Rest des Schultags war fast nicht zu ertragen. Ständig hatte ich das Gefühl, alle aus meiner Klasse würden sich irgendwelche blöden Kommentare über mich zuflüstern. Natürlich so leise, dass ich kein Wort verstand.
    Ich war unendlich dankbar für das Schrillen der Glocke. Endlich hatte dieser Schultag ein Ende. Eilig packte ich meine Sachen und bahnte mir einen Weg zur Tür.
    Ich lief über den Hof zu den Fahrradständern. Einfach nur weg!
    Zu Hause angekommen, warf ich meine Tasche neben die Garderobe und stürzte sofort an meinen Laptop. Es war fünf. Dann war es in Berkeley jetzt acht Uhr morgens. Sarah und meine anderen Freunde quälten sich gerade in die Schule. Ich konnte nie mit ihnen chatten wegen dieser dummen Zeitverschiebung. Kamen sie endlich nach Hause, war bei mir schon tiefste Nacht. Hastig öffnete ich meinen Mail-Account. Keine Nachricht! Enttäuscht schrieb ich ein paar Zeilen an Sarah und packte meinen ganzen Frust hinein. Ich kontrollierte mein Handy, konnte aber auch keine SMS finden. Dafür schickte ich eine an Josy.
    Ich wählte mich in Facebook ein. Meine Freundinnen hatten sich ständig Nachrichten über den geplanten Schulball an der Junior High geschrieben. Das Event des Jahres! Und ich war nicht dabei. Ich hackte meinen Kommentar dazu ein, wobei es eigentlich vollkommenüberflüssig war. Aber wenigstens gab es mir das Gefühl, nicht ganz ausgeschlossen zu sein. Sogar den alten Mr Jones und seine todlangweiligen Vorträge über die amerikanische Unabhängigkeit würde ich jetzt liebend gern in Kauf nehmen. Wie oft hatte ich ihn gedanklich auf den Mond geschossen, aber jetzt ... Ich öffnete den Ordner mit meinen abgespeicherten Fotos: Klassenfahrten, Übernachtungspartys, Grillabende ... Erst zwei Stunden später, als ich den Schlüssel im Schloss hörte, bemerkte ich, wie viel Zeit ich vor dem Computer verbracht hatte.
    Mein Vater klopfte an meine Tür. Ohne meine Antwort abzuwarten, öffnete er sie. Ich konnte es nicht leiden, wenn er nicht auf mein Okay wartete. Aber diesmal sagte ich nichts. Auf eine Diskussion mit meinem Dad konnte ich verzichten. Mir ging es so schon schlecht genug.
    »Wie war dein erster Tag?«, fragte er.
    Zum Würgen! Die Mädels sind schrecklich, besonders Caro, und die Jungs sind auch nicht gerade besser. Ich packe jetzt meine Sachen und nehme den nächsten Flieger zurück, hätte ich ihn am
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher