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Schwanengesang (German Edition)

Schwanengesang (German Edition)

Titel: Schwanengesang (German Edition)
Autoren: Andreas Hoppert
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zurückstecken. »Wen, bitteschön, soll sie denn fragen?«, konterte er. »Sie hat wohl keine Freunde. Und selbst wenn sie welche hätte: Die ›Zumutung‹, wie du es nennst, einen anderen um Hilfe bei seinem Freitod zu bitten, ist doch wohl umso größer, je näher man diesem Menschen steht. Wenn Gabriel oder du mich um so etwas bitten würdet, könnte ich es auch nicht tun. Für einen neutralen Außenstehenden ist die Sache eben einfacher.«
    »Ich verstehe trotzdem nicht, warum ausgerechnet du dieser neutrale Außenstehende sein sollst.« Sie betrachtete Marc eine Weile, bevor sie leise fortfuhr. »Es hat etwas mit dieser alten Geschichte zu tun, oder?«
    »Mit welcher alten Geschichte?«, echote Marc, obwohl er genau wusste, worauf Melanie anspielte.
    »Du hast mir einmal erzählt, dass du als Kind gesehen hast, wie ein anderes Kind auf einem zugefrorenen See eingebrochen ist. Da warst du vor Schreck wie erstarrt und musstest hilflos mit ansehen, wie das Kind ertrunken ist. Du hast dir an diesem Tag geschworen, nie wieder einfach nur danebenzustehen, wenn es um Leben oder Tod geht.«
    »Aber das ist doch etwas vollkommen anderes.«
    »Eben. Hier geht es nicht darum, ein Leben zu retten, sondern eines zu vernichten.«
    »Aber es geht auch um einen Menschen. Einen Menschen in schwerer Not.«
    Melanie winkte ab. »Du willst mich einfach nicht verstehen. Wenn du nicht selbst weißt, dass es falsch ist, was du da vorhast, kann ich dir auch nicht helfen. Es ist mal wieder eine von deinen typischen Schnapsideen.«
    Marc kochte innerlich. Jetzt kam es darauf an, das Gesicht zu wahren. »Das ist keine Schnapsidee! Und wie du schon sagtest: Es ist nicht dein Problem. Ich werde mich also mit dieser Frau treffen und danach werde ich allein entscheiden, was ich tun werde.«

4
    Die Adresse, die Heinen Marc gegeben hatte, erwies sich als ein großes Anwesen zwischen Bielefeld und Gütersloh. Marc passierte ein mit Speerspitzen bewehrtes Eisentor, dann fuhr er mit seinem Golf langsam eine von Bäumen gesäumte Auffahrt entlang. Sie endete auf einem kleinen kreisrunden Platz. Dahinter erhob sich ein zweistöckiges Herrenhaus mit eleganter hellgrauer Fassade und weiß abgesetzten Fenstern.
    Marc parkte seinen Wagen zwischen einem weißen 3er-BMW-Cabrio aus Bielefeld und einem schwarzen Porsche Cayenne mit dem Gütersloher Kennzeichen GT–GH 8888. GH für Gerd Heinen, dachte Marc. Offenbar war der Arzt bereits anwesend, und das am heiligen Sonntag. Der Mann schien seine ärztlichen Pflichten sehr ernst zu nehmen.
    Als Marc sich der imposanten Eingangstür aus dunklem Holz näherte, zu der drei von Marmorlöwen bewachte Stufen führten, knirschte Kies unter jedem seiner Schritte. Noch bevor er auf die Klingel drücken konnte, wurde die Tür geöffnet und eine vielleicht zwanzigjährige, äußerst attraktive Kindfrau stand vor ihm. Mit ihren dunklen Augen und dem schwarzen, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haar erinnerte sie Marc an die Sängerin Lena Meyer-Landrut. Bekleidet war sie mit einem schwarzen Kleid und einer weißen Schürze. Marc hatte eigentlich gedacht, die klassische Hausmädchenuniform gebe es nur noch in japanischen Zeichentrickpornos, wurde jetzt aber eines Besseren belehrt.
    »Hagen«, stellte er sich vor. »Frau Reichert erwartet mich.«
    »Das geht schon in Ordnung, Yvonne«, hörte Marc Heinens dröhnenden Bass im Hintergrund und das Mädchen zog sich schnell zurück.
    »Yvonne ist ein wenig schüchtern«, erklärte der Arzt, während er Marc die Hand schüttelte. »Und sie ist auch etwas langsam.« Er kratzte sich mit dem Zeigefinger auffällig unauffällig an der Stirn, um kein Missverständnis darüber aufkommen zu lassen, dass er nicht Yvonnes motorische Fähigkeiten meinte.
    »Ich habe nicht gewusst, dass es so etwas wie Hausmädchen heute noch gibt«, gestand Marc.
    »Ich glaube, Yvonnes Einstellung war so etwas wie eine Mitleidsaktion. Johanna Reichert hat einfach ein gutes Herz. Sie hat noch einige andere Angestellte: ein weiteres Hausmädchen, einen Koch, zwei Gärtner und einen Chauffeur, den sie allerdings die letzten Monate kaum noch beschäftigt hat. Ich sagte ja schon, dass Frau Reichert sehr vermögend ist. Aber kommen Sie doch herein. Bitte.« Er machte eine einladende Handbewegung und gab den Weg frei.
    Heinen scheint sich hier sehr heimisch zu fühlen, ging es Marc durch den Kopf. Er benimmt sich wie der Hausherr persönlich.
    Die beiden Männer betraten eine große Halle mit einer
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