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Schwanengesang (German Edition)

Schwanengesang (German Edition)

Titel: Schwanengesang (German Edition)
Autoren: Andreas Hoppert
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vorbringen konnte, war der starke Drogenkonsum, durch den er nicht Herr seiner Sinne war.
    Marc wollte gerade zu seinem Plädoyer ansetzen, als ihm etwas auffiel. Eine von 6.937 Personen. Normalerweise war die Quote bei einer DNA-Analyse doch wesentlich höher! Marc blätterte im Stehen noch einmal an den Anfang des Gutachtens zurück und fand schließlich die Lösung: Das am Tatort gefundene Blut war entweder bereits von der Spurensicherung, beim anschließenden Transport oder im Labor verunreinigt worden, daher die relativ geringe Zahl. Er seufzte. Aber das änderte alles nichts an der errechneten Wahrscheinlichkeit von 99,986 Prozent.
    Auf einmal stutzte Marc. Moment mal!
    Er setzte sich wieder und kritzelte ein paar Zahlen auf seinen Notizblock. Dann nahm er erneut seinen Taschenrechner zur Hand und gab Zahlen ein. Marc hörte das leise Aufstöhnen aus dem Zuschauerraum und auch der Vorsitzende ließ es sich nicht nehmen, Marcs Verhalten zu kommentieren. »Da könnt ihr mal sehen, wie wichtig das Erlernen der Grundrechenarten für das spätere Berufsleben ist. Ihr lernt also nicht umsonst.« Dann wandte er sich wieder Marc zu und grinste. »Herr Hagen, nicht so voreilig. Es besteht keine Notwendigkeit, Ihren Honoraranspruch jetzt schon zu berechnen. Damit werden wir uns nach der Verhandlung befassen.« Dafür erntete er erneut ein paar Lacher aus den hinteren Reihen.
    Marc lächelte tapfer mit, ließ sich aber nicht beirren. Er schrieb die Zahlen, die er von dem Display seines Taschenrechners ablas, auf den Block, kontrollierte alles noch einmal und erhob sich dann zum zweiten Mal.
    »Hohes Gericht, Herr Staatsanwalt«, begann er sein Plädoyer und musste einmal schlucken, um den Kloß in seinem Hals zu beseitigen. »Auf den ersten Blick scheint die Sache klar zu sein: Mein Mandant ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,986 Prozent der Täter.« Marc räusperte sich, bevor er fortfuhr. Langsam wurde er etwas sicherer. »Aber ist der Fall wirklich so eindeutig? Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Bauer kommt die DNA des Angeklagten bei 0,014 Prozent aller Personen vor. Die Stadt Bielefeld hat eine Einwohnerzahl von etwa 320.000, daraus folgt: Allein in Bielefeld leben etwa 45 Personen, deren DNA-Analyse dieselben Merkmale ergeben würde wie bei dem Angeklagten. Wenn wir davon ausgehen, dass der Täter nicht aus Bielefeld stammt, sondern von irgendwo aus Ostwestfalen-Lippe, wo es circa 2 Millionen Menschen gibt, sind wir bereits bei etwa 280 möglichen Tätern. In Nordrhein-Westfalen leben etwa 18 Millionen Menschen, mit anderen Worten über 2.500 mögliche Täter. Bei einer derartigen Vielzahl von potenziellen Tätern kann allein aus dem DNA-Gutachten nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass ausgerechnet der Angeklagte den Einbruch verübt hat. Da es außer diesem Gutachten keine weiteren Indizien oder gar Beweise gibt, die meinen Mandanten belasten, ist er freizusprechen. Ich danke Ihnen.«

2
    Nach dem Freispruch hatte Marcs Mandant sich, ohne ein Wort des Abschieds oder gar Danks, aus dem Staub gemacht. Marc nahm an, dass er direkt seinen Dealer ansteuerte oder vorher noch irgendwo einen Einbruch begehen musste, aber das war ihm jetzt egal.
    Er packte gerade seine Unterlagen zusammen, als er hinter sich eine männliche Stimme hörte. »Meinen Glückwunsch!«
    Marc drehte sich um. Vor ihm stand ein gut aussehender, großer, stattlicher Mann mit vollem silbergrauem Haar und markanten Gesichtszügen, er musste Ende fünfzig sein. Bekleidet war er mit einem dunklen Dreiteiler, der wahrschein lich teurer gewesen war als sämtliche Anzüge, die Marc besaß. Um den Hals trug er eine gedeckte Krawatte mit breitem Windsor-Knoten, am Ringfinger der linken Hand prangte ein schwerer goldener Siegelring.
    »Heinen«, sagte der Mann und streckte seine rechte Hand aus, die Marc ergriff. »Dr. Heinen, um genau zu sein. Ich bin Arzt.«
    Marc stutzte. »Ihr Name kommt mir irgendwie bekannt vor«, sagte er.
    »Ich weiß im Moment nur nicht, woher.«
    »Das passiert mir häufiger«, erwiderte Heinen lächelnd. »Ich bin nicht ganz unbekannt.«
    Der Arzt sah sich in dem mittlerweile leeren Saal um. »Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen?«, fuhr er fort. »Ich würde gerne etwas mit Ihnen besprechen.«
    Marc warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Nichts dagegen«, gab er dann zurück. »Wie wäre es mit der Gerichtskantine?«
    Heinen zuckte gleichgültig die
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