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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Autoren: Nicholas Grünke
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undefinierbaren Brei.
    «Na ja. Guten Appetit.»
    «Guten Appetit, is echt immer lecker hier», kommt’s aus Peters prall gefülltem Mund.
    Ich schmecke eigentlich nur Soßenbinder, und die Pampe sieht aus wie die gesammelten Reste vom Vortag. Aber in dem Moment ist mir das scheißegal, denn ich könnte sterben vor Hunger. Also stürze ich mich aufs Essen.
    «Willst du auch noch ’n Stück Kuchen?»
    «Einen Berliner, äh, Pfannkuchen bitte.» Ich hole meinen Geldbeutel raus. «Wie viel kriegst du?»
    «Lass ma, is schon gut. Geht alles auf mich.»
    «Danke, Peter», sage ich erstaunt.
    «Is doch klar am ersten Tach.»
    Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Vielleicht haben gewisse Regeln auf dem Bau auch einen Vorteil.
    Als wir zurück zum Auto kommen, sitzt der Hump aufrecht auf dem Fahrersitz und starrt auf die Straße. Als Peter die Tür aufmacht, verzieht er sich schwanzwedelnd auf die Rückbank.
    «Ist ja geil, sitzt der immer so? Wie menschlich.»
    «Ja, hat der sich so angewöhnt. Soll er eigentlich nicht, aber wat willste machen?»
    Auf dem Rückweg bläst mir die heiße Heizungsluft ins Gesicht. Ich bin total vollgefressen, und es dauert nur wenige Minuten, bis mir die Augen zufallen. Erst versuche ich noch, dagegen anzukämpfen, um mir vor Peter nicht die Blöße geben zu müssen, aber die Müdigkeit ist übermächtig. Ich nicke ein.
    Ein warmer nasser Schwamm wischt mir über den Mund, ich schrecke hoch aus meinem Halbschlaf. Der Hump leckt mein Gesicht ab.
    «Wäh!» Ich drücke die Schnauze mit der Hand weg.
    «Na, biste eingedöst, he? Keine Sorge. Wirst dich an die Anstrengung gewöhnen!»
    «Hoffen wir das mal.»
    Aus dem warmen Auto zu steigen und noch verschlafen in die klirrende Kälte zu treten ist unerträglich. «Ich hab keinen Bock mehr», liegt mir auf der Zunge, aber stattdessen sage ich zu Peter: «Boah, ist das kalt, Mann!»
    «Du musst dich bewegen, der Hammer hilft. Sach Bescheid, wennde nich mehr kannst. Wenn die Kraft nachlässt, wird dat gefährlich!»
    Die Zeit nach dem Mittagessen ist die reinste Qual. Ich bemühe mich vergebens, mein vorheriges Arbeitstempo wiederaufzunehmen. Die Erholungspausen zwischen dem Stemmen werden länger und folgen in immer kürzeren Abständen. Die Zeit vergeht nur langsam und lässt mich an Dalís berühmtes Zifferblatt denken, das zäh herunterfließt. Wann ist es endlich 16  Uhr?
    Inzwischen scheint auch niemand mehr auf dem Bau zu sein. Ich fühle mich allein, von der Welt verlassen in dieser dreckigen, lauten, vibrierenden Atmosphäre. Ich habe heute so viel Staub ins Gesicht bekommen, dass meine Zähne knirschen. Die am Morgen noch blütenweiße Staubmaske ist braunschwarz und getränkt mit meinem Schweiß. Der Stemmhammer kracht wieder und wieder unerbittlich auf den Boden. Splitter von Backsteinen und Beton fliegen gegen die Schutzbrille, die noch dazu regelmäßig so beschlagen ist, dass ich nichts mehr sehe. Wie schwer Arme werden können, wusste ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich kann die Maschine kaum noch halten.
    Ich kann nicht mehr. Gerade, als ich endgültig abbrechen will, sehe ich Peter auf mich zukommen. Er bewegt seine Arme vor der Brust hin und her, wie ein Ringrichter, der ein K.O. anzeigt. Er spricht die erlösenden Worte:
    «Feierabend! Is vier!»
    «Gott sei Dank!» Habe ich das wirklich gerade gesagt?
    «Fürn ersten Tach okay, muss schneller werden, pack den Hammer wieder in die Kiste. Der Code ist 3333 . Dann morgen gleiche Zeit. Erhol dich.»
    «Okay.»
    Schneller werden? Arschloch! Nee, ich komme morgen nicht wieder. Nein, danke! Fix und fertig, schleppe ich mich die Treppe herunter.
    Bevor ich mich auf den Heimweg mache, sollte ich noch mal aufs Dixi-Klo. Und während ich dort von Plastik umgeben stehe, blicke ich nach oben und entdecke über der Tür die Inschrift der Inhaberfirma:
FLIEGENSCHMIDT GmbH (www.globalklo.de)
    Globalklo! Wer denkt sich so etwas aus? Ich kann es kaum fassen. Die Globalisierung durch die Toilette, der gemeinsame Nenner aller Menschen, die Notdurft, die alle verrichten müssen. Wir alle vereint auf der Plastiktoilette. Ich muss laut lachen.
    Und der Herr Fliegenschmidt geht natürlich in die Toilettenbranche. Ein Name als Berufung sozusagen. Besser wäre nur noch Fliegenschiss GmbH. Wunderbare, absurde Welt!
    Auf dem Heimweg nehme ich nichts mehr wahr, will nur noch ins Bett. In der Bahn schlafe ich mehrmals ein und habe Angst, meine Haltestelle zu verpennen.
    Zu Hause gehe ich direkt
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