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Schutzengel mit ohne Flügel

Schutzengel mit ohne Flügel

Titel: Schutzengel mit ohne Flügel
Autoren: Arto Paasilinna
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zur Hälfte füllte. Von den gewaltigen Ausmaßen und der stabilen Konstruktion kündet auch die Tatsache, dass man ein halbes Dutzend Schmiede hatte beschäftigen müssen, um die erforderlichen Nägel, große Spikes, herstellen zu können, genau 294000 Stück waren in der Werkstatt, die zur Baustelle gehörte, zurechtgehämmert worden.
    Über das Gesicht des Kirchenbauers huschte ein belustigtes Lächeln, als er erzählte, dass die Bewohner von Kerimäki ursprünglich die Absicht gehabt hatten, beim Kirchenbau zu sparen. Sie hatten eine Steinkirche abgelehnt, weil sie gemeint hatten, die würde teurer als ein Gebäude aus Holz. Aber in dieser Hinsicht hatten sie sich schwer getäuscht, denn Granstedts Entwürfe waren so unerhört gigantisch ausgefallen, dass für dasselbe Geld zwei, drei Steinkirchen normaler Größe im Ort hätten errichtet werden können.
    »Aber wenigstens ein Mal ist es vorgekommen, dass die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt war, und das war an dem Tag, als sie eingeweiht wurde. Es war der Pfingstsonntag im Jahre 1848, und es herrschte schönes, trockenes Wetter, ich kann mich noch gut erinnern. Die Leute kamen von weit her, sogar aus Rantasalmi und Kitee. So voll ist es danach in diesem Tempel nie wieder gewesen«, berichtete Tolpo.
    Der Kurs dauerte die ganze Woche, genau genommen natürlich sechs Tage, denn auch im Himmel gibt es Freizeit, denn der Feiertag ist nach alter göttlicher Sitte heilig.
     
    Am ersten Tag also war die Veranstaltung vom heiligen Petrus höchstpersönlich eröffnet worden. Sulo Auvinen hatte sich vorgestellt, dass Petrus eine riesige und beeindruckende Erscheinung wäre, aber in Wahrheit sah er ganz gewöhnlich aus mit seinem dunklen Haar, dem weißen Bart und den schwarzen Flügeln. Zu Lebzeiten war er ja zunächst Fischer und später ein Jünger Jesu gewesen. Damals, vor zweitausend Jahren, waren die Körpermaße und überhaupt auch das Äußere der Menschen recht bescheiden gewesen, verglichen mit den heutigen großen, gut genährten Erdenbürgern. Petrus hatte die grobknochigen, schwieligen Hände eines Fischers und einen strengen Blick, in dem gelegentlich eine Spur Verschlagenheit aufblitzte. Drei Mal hatte er schließlich in einem schwachen Moment seinen Meister verleugnet.
    Geleitet wurde der Kurs von Erzengel Gabriel, einem jungen, ziemlich kleinen Mann. Sulo Auvinen hätte wetten mögen, dass Gabriel ursprünglich aus Finnland stammte, er sah genau wie ein Savolaxer aus, oder vielleicht kam er auch aus Kainuu. Ein gemütlicher Kerl, und trotz seines jugendlichen Alters ein fähiger Pädagoge.
    Das himmlische Schulungsseminar folgte dem alten irdischen Schema, demzufolge die Teilnehmer in Arbeitsgruppen eingeteilt wurden, in diesem Falle zehn an der Zahl mit jeweils fünfzig Flügelträgern. Die Gruppen wählten aus ihrer Mitte einen Vertrauensengel, der während der Schulung für den Zusammenhalt der Gruppe sorgte und Kontakt zu den Ausbildern hielt.
    Ziel der Schulung war es, den gemeinsamen Beschützergedanken zu stärken und zu festigen. Vor allem wollte man den Teilnehmern die Gelegenheit geben, sich über alle Erfahrungs- , Form- und Autoritätsgrenzen hinweg miteinander auszutauschen. Es galt, die künftigen Schutzengel zu einer möglichst effizienten himmlischen Ressource heranzubilden. Man wollte ihnen Handlungsmodelle liefern, die ihnen helfen würden, die theoretischen Kenntnisse in der Praxis beim Schutz der Menschen, und gegebenenfalls auch der Tiere, anzuwenden.
    Zum Abschluss des Tages versammelten sich die Gruppen zu einer gemeinsamen Veranstaltung, auf der sie ein Resümee zogen und darüber diskutierten, welche Themen für den nächsten Tag anstanden. Offene Fragen wurden geklärt, es wurde von den neuesten Entwicklungen in der Branche berichtet, das Erreichte wurde bewertet, Probleme wurden angesprochen und gemeinsam Vorschläge zur Verbesserung gemacht.
    Ein erst unlängst verstorbener Anlageberater ließ sich nicht abhalten, vom letzten Stand der irdischen Kursentwicklung zu berichten, denn er meinte, dass diese Erkenntnisse allgemein nützlich sein könnten, vor allem aber beim Schutz reicher Menschen. Er führte aus, dass das vergangene Jahr endlich mal wieder einen Aufwärtstrend gezeigt hatte und dass das Börsenjahr gut gestartet war.
    »Für ein Andauern der Erholung an den Aktienmärkten sprechen mehrere Faktoren: Die Erträge der Firmen und die Konjunkturindikatoren haben sich spürbar stabilisiert, Aktien sind nach wie
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