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Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman

Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman

Titel: Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
Autoren: Susanne Lieder
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heraus.
    Andersfarbige Hemden würden ihm Unglück bringen, befürchtete er. In einem grauen Pulli könnte er beim Überqueren einer Straße von einem Lkw erfasst werden.
    Als er fertig angezogen war, stieg er in seinen alten Peugeot und machte sich auf den Weg zu seiner Frau, besser gesagt seiner Nochfrau Silke. Er hatte ihr versprochen, seine restlichen Sachen abzuholen.
    Bei dem Gedanken, das Haus zu betreten, das er so geliebt und mit Hingabe renoviert hatte, wurde ihm heiß und kalt.
    Und er spürte seinen Herzschlag im Hals pochen.
    Wahrscheinlich hatte Silke Recht, und er war ein durchgeknallter Kerl, der so viele Macken und Neurosen hatte, dass man sie kaum aufzählen konnte. Bereits in der späten Jugend hatte es angefangen, dass er etwas seltsam wurde. Er hatte einen Kontrollzwang entwickelt, musste sich manchmal zehnmal hintereinander vergewissern, dass er sein Radio ausgestellt hatte. Immer wieder hatte er es berühren müssen, begleitet von einem leisen Zählen. Erst bei dreißig hatte er sein Zimmer verlassen können. Später hatte er auf Wunsch seiner Eltern mit einem Psychologen darüber gesprochen, der glaubte, es könnte an Schusters übervorsichtiger, ausgesprochen ängstlicher Mutter liegen, die in ständiger Sorge um ihren einzigen Sohn war. Danach war Schuster nicht mehr hingegangen. Das Stochern in seiner Seele machte ihm eher Angst, und die Ursachenforschung war ihm ziemlich egal.
    Was sollte das auch bringen?
    Silke hatte jedenfalls irgendwann genug von seinen Marotten gehabt.
    Deine Neurosen sind nicht auszuhalten. Deine Hypochondrie und deine Unfähigkeit zur Spontaneität.
    Sogar die Dinge, die sie früher an ihm geliebt hatte,  hatte sie nun auf ihrer Negativ-Liste: Du bist ... du hast ... du machst ...
    Und er hatte dagestanden wie ein gescholtenes Schulkind und hatte die Welt nicht mehr verstanden.
    Ja, vielleicht war er ein Hypochonder, auch wenn er das Wort furchtbar fand. Er hatte einfach Angst vor Krankheiten, deswegen warf er ständig Vitamine ein. Und ja, vielleicht übertrieb er hin und wieder mit seinem ständigen Händewaschen. Richtig schlimm geworden war es vor ein paar Jahren. Er hatte nicht gewusst, dass es Silke so gestört hatte. Sie hatte nur ein paarmal eine Bemerkung gemacht, doch er hatte es vorgezogen, nicht darüber zu reden.
    Als er nun in die vertraute Straße einbog, drohte ihn das beklemmende Gefühl in seiner Brust zu übermannen. Hier hatte er acht Jahre lang mit Silke gewohnt. Acht schöne Jahre. Aus seiner Sicht.
    Er fuhr auf den Hof und griff sich kurz an die Stirn, so als wolle er sich vergewissern, dass seine Mütze da war, wo sie hingehörte. Beim Aussteigen stolperte er über seine eigenen Füße, seine Beine waren wie aus Blei, schwerfällig und steif.
    Er kramte nach seinem Schlüssel. Das hätte er sich sparen können, er passte nämlich nicht ins Schloss.
    Er drückte auf den Klingelknopf, und sofort erschien Silke in der Tür, so als habe sie auf ihn gewartet.
    Und sie sah toll aus. Sie hatte ihr langes braunes Haar hochgesteckt, und sie trug Lippenstift in einer ungewöhnlichen Farbe, was ihm sofort auffiel.
    Seit wann benutzte sie Lippenstift?
    Mühsam schluckte er gegen den Kloß in seinem Hals an.
    »Hallo, Silke. Da bin ich. Mein Schlüssel klemmt.«
    Seine Nochfrau verzog keine Miene.
    »Er klemmt nicht, Heiner. Ich hab das Schloss auswechseln lassen.«
    »Was? Warum tust du so was?«
    Sie schnappte nach Luft. »Du stellst vielleicht Fragen. Ich will nicht, dass du hier einfach so reinplatzt. Also hab ich das Schloss auswechseln lassen.«
    Sie trat zur Seite und ließ ihn vorbei. »Deine Sachen stehen oben im Flur.«
    Mit hängenden Schultern trabte er die Treppe hoch. Seine Reisetasche stand da, daneben drei Kisten Bücher und CDs und zwei weitere Kartons mit Klamotten.
    »Das müsste alles sein.« Silke stand hinter ihm.
    Er drehte sich zu ihr um. »Das war’s dann also. So einfach ist das, was? Du lachst dir einen anderen Kerl an, packst meine Sachen, wechselst das Schloss aus und raus bin ich?«
    Sie sagte kein Wort, sah ihn nicht mal an.
    Das sollte die Frau sein, mit der er zwölf Jahre verheiratet war? Die, die noch vor zwei Jahren mit ihm nach Kanada hatte auswandern wollen?
    »Was ist mit uns passiert, Silke?« Er versuchte, ihren Blick einzufangen, aber sie schaute an ihm vorbei. »Was hab ich getan?«
    »Wo soll ich anfangen?«, seufzte sie leise.
    Das war zu viel. Er schnappte sich seine Reisetasche, warf sie sich über die
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