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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne
Autoren: Evelyn Sanders
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in der zweiten Nicki. Die kommt dann rauf.«
    »Seid ihr verrückt? Wie stellt ihr euch das denn vor? Bis Berlin sind es ja bloß schlappe 700  Kilometer!« Ich hatte vorgehabt, am Sonntag vor der ersten Lesung nach Berlin zu fahren, dort bei Freundin Irene zu übernachten, und am nächsten Morgen gemütlich nach Templin zu tuckern. Bis zum Abend würde ich die hundert Kilometer wohl geschafft haben. Am Freitag wollte ich wieder nach Berlin zurückkommen, das freie Wochenende bei Irene verbringen und von dort zur letzten Etappe nach Eberswalde und Wandlitz starten. Wie es schien, wollten meine Töchter den Austausch in Berlin vornehmen. »Das ist doch heller Wahnsinn«, erklärte ich dann auch, »kommt überhaupt nicht in Frage. Ich schaffe das schon allein.«
    »Wir haben aber alles schon abgemacht. Thomas bringt Nicki rauf und nimmt mich mit zurück.« Sie seufzte. »Die Vorstellung, mit diesem Langweiler stundenlang im Auto sitzen zu müssen, hätte mich beinahe von meinem edlen Vorsatz abgebracht, aber was tut man nicht alles aus töchterlichem Pflichtgefühl?«
    Von wegen! »Gib doch zu, dass dich die pure Neugier treibt! Du hast noch nie einen Fuß in die DDR gesetzt, kennst lediglich die Transitautobahn und hast bis vor kurzem geglaubt, dass man jenseits der Mauer nur russisch spricht.«
    »Jetzt übertreibst du aber!«, empörte sie sich.
    »Findest du?«
    Eine Rückfrage bei Frau Wagner, ob man die gebuchten Einzelzimmer in Doppelzimmer umwandeln könnte – selbstverständlich würde ich die zusätzlichen Kosten selber tra-gen –, erregte nur gelindes Erstaunen. Es ständen sowieso immer zwei Betten drin, Einzelzimmer gäbe es gar nicht. Ach so?!
    Als Nächstes der längst überfällige Anruf bei Irene. Nach dem üblichen Geplauder über das Wohlergehen der Enkelkinder und der Blumenzwiebeln (sie handelt damit) kam ich zum Kernpunkt. »Hast du am elften Mai mal wieder ein Nachtquartier für Steffi und mich?«
    »Immer«, lautete die Antwort, »bloß bin ich dann nicht da.«
    Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. »Warum nicht?«
    »Weil ich mit Katharina in die Toskana fahre. Die muss mal raus und ich auch.«
    Durchaus begreiflich. Katharina ist Irenes Tochter und arbeitet als Kinderpsychologin.
    »Aber du kannst ja trotzdem kommen, du kennst dich doch aus, und wo du den Hausschlüssel findest, weißt du ebenfalls. Also wo liegt das Problem? Ich muss nur Janka Bescheid sagen, sonst alarmiert sie das Überfallkom-mando.«
    Janka ist Irenes Putzfrau und während ihrer Abwesenheit zuständig fürs Blümchengießen und die Fütterung der Raubtiere in Gestalt dreier schon etwas betagter Katzen.
    »Warum hast du denn nicht früher gesagt, dass du kommen willst? Dann hätten wir die Reise um ein paar Tage verschoben.«
    »Der Termin hat sich erst jetzt ergeben.« Fünf Minuten lang Erläuterung meiner geplanten Exkursion.
    »Du bist ganz schön mutig«, meinte Irene nur.
    »Weshalb denn? Die Kriminalitätsrate ist in Ossiland wesentlich geringer als bei uns.«
    »Das habe ich auch nicht gemeint, aber wir Wessis sind bei unseren Brüdern und Schwestern zurzeit wenig beliebt. Soll ja innerhalb der Verwandtschaft gelegentlich vorkommen.«
    Mit der Zusage, mich noch mal zu melden, legte ich den Hörer auf. Was nun? Irenes Angebot, trotz ihrer Abwesenheit in ihrem Haus einzufallen, annehmen oder nach einem Ausweichquartier suchen? Wer oder was käme denn da in Frage? Kunzes Laube? Freunde von uns bezeichnen ihr gar nicht mal so kleines und einschließlich Küche gemütlich möbliertes Wochenendhaus mit beharrlicher Untertreibung als »Laube«, obwohl es mit den unter diesem Begriff bekannten Schrebergarten-Bretterbuden nicht die geringste Ähnlichkeit hat. Allerdings liegt besagte Laube jott-we-de. Außerdem gibt’s da keinen Boiler, und wenn ich etwas hasse, dann ist es die morgendliche Kaltwasserdusche.
    Tante Annelies? Nein, lieber nicht. Sie würde zwar mit Freuden Möbel rücken und in ihrer ohnehin blitzsauberen Miniwohnung einen Großputz veranstalten, um uns entsprechend beherbergen zu können, doch die Jüngste ist sie nun wirklich nicht mehr. Außerdem hat sie Rheuma.
    Wer bleibt denn noch? Richtig, Dagi! Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?
    Dagi habe ich quasi geerbt. Unsere Eltern waren Jugendfreunde gewesen. Wir Kinder nicht. Ich konnte Dagi nicht ausstehen, und diese »Zuneigung« beruhte auf Gegenseitigkeit. Beide wurden wir von Omas aufgezogen. Unsere Väter standen an der Front,
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