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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne
Autoren: Evelyn Sanders
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mussten, dass wir unseren Zeitplan nie würden einhalten können. Wo damals überwiegend Lastwagen und Autos mit westdeutschen Kennzeichen im Hundertkilometertempo langgeschlichen waren, herrschte jetzt ein Verkehr wie am Frankfurter Kreuz zur Rush-hour. Vom verbeulten Opel Baujahr 79 bis zum nagelneuen Renommierschlitten schoben sich endlose Kolonnen über den ramponierten Asphalt, und fast jedes Auto gehörte nach Ossiland. Die vereinzelten Trabis mittendrin fielen schon richtig aus dem Rahmen.
    Es ist ja kein Geheimnis mehr, dass viele ehemalige Trabifahrer mit den vermehrten Pferdestärken gewisse Schwierigkeiten hatten und immer noch haben. Nach der dritten Vollbremsung, weil es vor uns mal wieder gekracht hatte, und einem leichten Bumsen gegen die rückwärtige Stoßstange meinte Steffi nur: »Hier drüben könnte man dringend eine Bremse brauchen, mit der man den Wagen des Hintermannes zum Stehen bringen kann.«
    Endlich Dreilinden. Wie oft hatte ich hier in der Autoschlange gewartet, bis mein Pass von den Vopos kontrolliert, fotografiert und mit irgendwelchen Listen verglichen worden war! Und einmal hatte ich sogar in die taghell erleuchtete Halle fahren müssen, wo man den Wagen buchstäblich auseinandergenommen hatte. Außer einem alten Exemplar des
Playboy,
der von einem männlichen Familienmitglied wohl mal liegengelassen und nun sofort konfisziert worden war, hatte man allerdings nichts gefunden.
    Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, an diesem Kontrollpunkt so einfach vorbeifahren zu können, doch Steffi kurvte trotzdem auf einen Parkplatz. »Du musst hier nicht mehr halten!«, erinnerte ich sie.
    »Ich habe keine sentimentalen Gefühle, ich brauche den Stadtplan!«
    Ach so.
    »Jetzt setz mal deine Brille auf, sonst erkennst du wieder die blauen Striche nicht, und dann sag mir genau, wie ich fahren muss!«
    Kein Problem, den Weg zur Rosenheimer Straße hatten wir schon zu Hause sorgfältig markiert. Das Problem entstand erst dadurch, dass ich zwar zum Lesen eine Brille brauche, zum normalen Sehen jedoch nicht. Und bis jetzt habe ich mich einfach noch nicht dazu durchringen können, mir eine dieser ausnehmend kleidsamen Lesebrillen zuzulegen, die so elegant auf der Nasenspitze thronen und immer aussehen wie gewollt und nicht gekonnt. Bis ich – Brille ab! – das Straßenschild entziffert und – Brille auf! – auf der Karte gefunden hatte, waren wir schon wieder zwei Straßen weiter.
    »Da vorne kommt so ’ne Art Platz«, warnte Steffi rechtzeitig.
    »Wie heißt der denn?«
    »Woher soll ich das wissen?
Du
bist doch in Berlin aufgewachsen.«
    »Aber nicht in dieser Gegend.« Ich beugte mich wieder über die Karte. »Hier scheint es eine Menge Plätze zu geben.«
    »In der Mitte steht ein Denkmal.«
    »Jeder Platz, der was auf sich hält, hat ein Denkmal. Kannst du erkennen, was es ist?«
    »Ein Mann auf einem Pferd«, sagte Steffi lakonisch.
    »Dann ist es wahrscheinlich Bismarck, also stehen wir logischerweise vor dem Bismarckplatz, und wenn ich mich nicht irre, liegt der in Schmargendorf.«
    »Wollen wir dahin?«
    »Nein!!!«
    »Was soll ich denn jetzt machen?« Die Ampel sprang gerade auf Grün.
    »Fahr erst mal geradeaus weiter!«
    »Geht nicht. Einbahnstraße.«
    Nach ungefähr zwei Stunden hatten wir endlich unser Ziel gefunden, weitere zwanzig Minuten vergingen mit der Suche nach einem Parkplatz. »Die müssen hier alle Drittwagen haben«, seufzte Steffi, als wir zum x-ten Mal an Dagis Haustür vorbeifuhren. »Wieso gibt es nirgends eine Lücke?«
    »Als diese Häuser in den fünfziger Jahren gebaut wurden, brauchte man Wohnungen und keine Garagen. Wer hatte damals denn schon ein Auto?«
    »Siehste, und nu isses umgekehrt! Jetzt baut man zehnstöckige Garagen und bezeichnet sie als Wohnungen. – Guck mal, da drüben fährt einer raus. Ich kann hier aber nicht wenden. Steig schnell aus, nimm meine Reisetasche mit und stell dich genau in die Mitte. Und wehe, du rührst dich von der Stelle, bis ich wieder da bin! Ich fahre nur schnell einmal um den Pudding.«
    Wie ein zerrupftes Mauerblümchen kam ich mir vor, als ich Dagi in der geöffneten Wohnungstür stehen sah, gut frisiert und in einem schicken apricotfarbenen Fummel. Würde ich so etwas anziehen, hätte ich allenfalls auf einem Kostümfest Erfolg, etwa als Gespenst von Canterville oder so ähnlich. Abgesehen davon, dass mir Apricot überhaupt nicht steht, könnte ich auch keine Schlabberkleider tragen. »Wie machst du das
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