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Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Titel: Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
Autoren: Rosa Villas
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geeignet.“
    Ich glaube ihr sofort und merke mir die Idee. Man weiß ja
nie.
    „Hast du dir nie überlegt, in ein Kloster einzutreten?“, sie
sieht schon ein bisschen wie eine Ordensschwester aus. Irgendwie…
    „Doch, sogar sehr ernsthaft. Vier Monate habe ich versucht
mit den frommen Schwestern zu leben.“
    „Und dann?“
    „Dann ist es an den aufreibenden Kleinigkeiten des Alltags
gescheitert.“
    So langsam beginne ich die menschliche Seite der
katholischen Kirche zu begreifen. Es ist die Gemeinschaft der Menschen, des
Zusammenhalts, des Füreinander-da-seins. Eine große Familie voller Vertrauen,
Geborgenheit, Liebe und Sexualität, die nur der Vermehrung dient. Zumindest
offiziell.
    Wer den Bedürftigen hilft und gibt, fühlt sich gut. Geben
ist seeliger als Nehmen. Das ist kein Geheimnis, sondern eine weise Wahrheit.
    Die Frau ist klasse. Noch nie habe ich so eine, von Freude
erfüllte, Christin erlebt. Aus ihr sprüht das pure Leben, die reine Kraft.
Jeden Abend geht sie in die Messe. Auch heute will sie gehen und fragt mich, ob
ich mitkomme.
    „Oh je, lieber nicht. Ich muss noch duschen und mich für die
Nacht fertig machen.“
    Gute Ausrede. Ich gehe schon mal gerne in eine leere Kirchen
und fühle die Energie in der Halle des Gebetes, aber ein Gottesdienst? Nein, so
weit bin ich noch nicht.
    Auf dem Weg zur Dusche höre ich aus einem Schlafsaal
bekannte Stimmen. Meine Senioren sind da! Mit ihnen habe ich durch meine zwei
Urlaubstage nicht mehr gerechnet. Ich dachte, die wären schon weiter voraus,
aber freue mich riesig, sie hier zu treffen.
    Ich klopfe und trete ein. Ein großes Hallo entbrennt.
    „Na, Rosa, wo warst du denn die letzten Tage?“
    „In einer Pension an einem See. Hab ein Pilgerknie bekommen
und kann nur noch langsam gehen. Und ihr, wie geht es euch? Seid ihr noch alle
fit?“
    „Na klar, was denkst du denn?“, Inge entrüstet sich über
diese Frage. Natürlich, wie komme ich denn auch auf so einen Irrsinn? Die sind
ja erst 74 Jahre alt.
    „Erzähl’ mal, wie ist es dir ergangen?“, will Anneliese
wissen und ich erzähle ihnen ausführlich von den letzten Tagen bis hin zu
meinem überraschenden Picknick eben auf der Mauer.
    Anneliese klopft mir mit ihrem Fingerknöchel gegen die
Stirn: „mein Gott, du hast aber einen Helm auf.“
    Heinz erklärt, was Anneliese meint: „das Essen in dieser
Kantine hier, ist das schlechteste, was wir auf der ganzen Pilgerreise bekommen
haben. Es war einfach nur grauenhaft. Wir mussten hinterher alle noch einen
Schnaps trinken, weil wir Angst haben uns eine Krankheit einzufangen.“
    „Wir haben zwei Schnäpse getrunken“, schreit Karin von
hinten vor.
    „Doppelte.“ Sie kommt nach vorne.
    „Du wirst vermutlich dein altes wildes Leben wieder
aufnehmen…“, sagt Karin nachdenklich. Wenn man so einen Weg gegangen ist, wie
du ihn erlebt hast, dann hört man nicht mehr auf.
    Überrascht und verwundert lasse ich Karins Worte auf mich
wirken. Alles abbrechen und zurückkehren zu meinem Zigeunerleben, kann ich mir
noch nicht so richtig vorstellen. Ich habe schließlich Familie. Aber einmal im
Jahr für mindestens zwei Wochen ausbrechen, um in und mit der Natur zu leben,
das kann ich mir sehr gut vorstellen.
    Wir verabreden uns für den nächsten Tag zum Gottesdienst in
der Kathedrale. Obwohl ich echte Bedenken äußere, es dort drinnen nicht
auszuhalten, ringt mir Anneliese das Versprechen ab, es zumindest zu versuchen.
    Dann lege ich mich in mein Bett und schlafe sofort ein. In
dieser Nacht schwitze ich so viel wie selten. Meine Schlafklamotten sind
pitschenass. Vermutlich ist es das Fieber.

Tag 13:
    5 km von Monte Gozo nach Santiago de
Compostela
    Früh am Morgen, als wir alle zusammenpacken, bedanke ich
mich bei Elisabeth für all die Antworten, die sie mir auf meine Fragen
geschenkt hat. Ich konnte viel von ihr lernen.
    „Aber eine Frage habe ich noch“ Sie lacht: „Schieß los!“
    „Was machst du in den Messen jeden Tag? Man kann doch nicht
immer nur beten und bitten. So viele Wünsche hat doch kein Mensch.“ Elisabeth
schaut mir fest in die Augen und antwortet liebevoll: „Einfach nur da sein.
Reinkommen, hinsitzen und da sein. Ich sage ‚Hallo Gott, hier bin ich’, setze
mich hin und bin da. Das ist alles.“
    Aha.
    Das hört sich einfach an. Muss ich unbedingt mal
ausprobieren. Heute um 12.00 Uhr in der Kathedrale zur Pilgermesse. Reinkommen
und da sein.
    Die letzten wenigen Kilometer nach Santiago regnet es. Die
Wolken
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