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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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singulärer Diamant in der niederträchtigen Welt der Geheimen Dienste.

    Sie hatte die Glut in seinem Körper in einer Weise entfacht, dass sie seitdem nicht mehr zu löschen war. Für Irina brannte er immerzu. Sie war die Frau, die er besitzen musste. Ihre Schönheit, ihre rasende Leidenschaft, die sich über jede Moral hinwegsetzte, mussten ihm gehören. Ihm allein. Er würde sich Irina nicht wegnehmen lassen, schon gar nicht von den Franzosen.
    Heinrich lehnte sich in die Loge zurück. Wenn der rote Samt im Moulin Rouge auch alles andere als ein blutiges Schlachtfeld war - leider, denn dort zu kämpfen hatte Heinrich gelernt -, es gab immer einen Weg zum Sieg. Wenn er es unbemerkt bis in ihre Garderobe schaffte … der dunkle Diplomatenanzug würde helfen. Bei den ersten Takten der nächsten Nummer glitt Heinrich aus der Loge in den Gang, wo die Serviermädchen kichernd den Gästen auf die Finger schlugen, wenn sie sie auf weißgeschürzte Hüften legten.
     
    Irina presste sich den weißen Handschuh auf den Mund. Sie hätte schreien mögen. Die letzten Zeilen der Nummer vibrierten noch in ihr. Es führt dich in Gefahr des Irrlichts Schein! Und doch war sie sich absolut sicher: So verwegen und anzüglich wie Heinrich vermochte niemand Da-Di-Da zu pfeifen. Irina lief am Conférencier Maxime vorbei, hörte nicht, was er fragte. Wieso war Jérôme überhaupt schon hier? Er hatte sie doch erst zum Souper abholen wollen.
    Vor der Feuerleiter hinter dem Bühnenhimmel blieb Irina schreckensstarr stehen. Ihr Herz klopfte wild unter den falschen Silberpailletten. Jérôme musste alles entdeckt haben. Alles. Die Katastrophe war da. Sonst hätte Heinrich niemals seine Regel gebrochen, sie in Frankreich nicht öffentlich anzusprechen.

    Irina riss sich den Putz mit den langen Federn vom Kopf, rannte an Maria vorbei weiter bis in ihre Garderobe.
    »Das Kostüm für den Rauschgoldengel liegt bereit und …«
    »Lass niemanden herein! Hörst du? Niemanden!« Irina erschrak über ihre schrille, von Tränen halb erstickte Stimme. Sie warf die Tür hinter sich zu. Wovor sie sich in den schlimmsten Albträumen gefürchtet hatte, war eingetreten - und das am Abend ihres größten Triumphes. Irina legte die Unterarme auf den Tisch vor dem Schminkspiegel und weinte haltlos.
    Ein Geräusch riss sie aus einem bodenlosen Wirbel wirrer Gedanken. Etwas stieß an das Fensterchen der Garderobe, das zum Lichtschacht hinaussah, ein Tack-Tack wie von Steinchen. Die Flügel krachten auseinander, schwarze lange Beine schwangen herein. Staub auf einem Anzug … »Heinrich!«
    Da hatte er sie schon mit seinen starken Armen umfasst und küsste sie mit einer Leidenschaft, dass Irina für einen Moment alles vergaß.
    »Du bist in großer Gefahr, mein Schatz. Ich bringe dich weg, jetzt sofort!« Gehetzt sprang er zur Garderobentür und verriegelte sie.
    Irina starrte in sein wild entschlossenes Gesicht. Beinahe hätte sie gelacht. Ihren Piraten hatte sie ihn in den leidenschaftlichen Nächten auf dem Fährschiff nach Schweden genannt. Nun sah er mit den Schmutzstreifen auf den Wangen wahrlich wie ein Freibeuter aus.
    »Worauf wartest du?« Er nestelte schon an ihrem Rücken die Knöpfe auf. »Wir fliehen über das Dach. Es ist nicht bewacht.«
    »Wie soll ich dort hinaufkommen?« Irina wand sich aus dem Sternenkostüm.

    »Du kannst tanzen, also kannst du auch klettern.«
    Es klopfte dreimal. »Madame!«
    »Gleich, Maria.«
    »Monsieur Jérôme ist hier und besteht darauf …« Es rumpelte vor der Garderobentür. »Aber Sie können doch nicht einfach die Tür aufbrechen!«
    Irina war es, als würde ihr Körper mit heißem Öl ausgegossen. Hastig zog sie Heinrich hinter den Umkleideparavent. Schlüpfte aus dem Kleid und warf es über die chinesischen Vögel auf dem Holz. »Ich bin nicht angezogen!«, schrie sie so abwehrend wie möglich. »So warte doch einen Moment!«
    Ihr Blick fiel auf den Boden. Vor dem Fensterchen lag Heinrichs Revolver, er war ihm aus dem Halfter gefallen. Irina griff schnell nach der schweren Waffe. Die Bühnenklingel schrillte.
    »Mach sofort auf!« Die Stimme von Jérôme war so kalt wie noch nie.
    Enttäuschte Liebhaber waren zu allem fähig. Ohne weiter nachzudenken löste Irina die Trommel, ließ die Patronen in die Schublade ihres Schminktisches gleiten, drückte die Waffe wieder zu. Wie gut, dass Heinrich ihr nicht nur den Umgang mit Geheimtinte beigebracht hatte. Sie reichte ihm den Revolver hinter den Paravent. Er
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