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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende
Autoren: Val McDermid
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einen Zug an seiner Zigarette tat. Tony stand auf. »Vielleicht denken Sie, daß ich übertreibe. Aber ich versichere Ihnen, ich habe Ihnen allenfalls eine erste Ahnung davon vermittelt, wie beschissen Sie sich mitunter in Ihrem neuen Job fühlen werden. Wenn jemand glaubt, das sei nichts für ihn – noch ist Zeit zum Aussteigen. Keiner wird Sie zurückhalten, keiner macht Ihnen Vorwürfe. Wenden Sie sich einfach vertrauensvoll an Commander Bishop.« Ein kurzer Blick auf die Uhr. »Zehn Minuten Kaffeepause.«
    Er vermied es, irgendeinen aus der Gruppe anzusehen, als die Frauen und Männer die Stühle zurückschoben und sich auf den Weg zum kleinen Pausenraum machten. Als er schließlich doch hochsah, traf sich sein Blick mit dem von Detective Constable Shaz Bowman. Sie lehnte neben der Tür an der Wand.
    »Noch was, Sharon?« fragte er.
    »Sagen Sie bitte nicht Sharon zu mir. Nennen Sie mich Shaz. Ich wollte Ihnen nur noch sagen, daß Profiler nicht die einzigen sind, die wie der letzte Dreck behandelt werden. Was Sie uns bisher erzählt haben, hört sich nicht schlimmer an als das, woran Frauen im Polizeidienst ohnehin gewöhnt sind.«
    »Das höre ich nicht zum ersten Mal«, erwiderte Tony und mußte unwillkürlich an Carol Jordan denken. »Und wenn das stimmt, müßten Sie bei diesem Spiel eigentlich im Vorteil sein.«
    Shaz grinste zufrieden, sagte: »Warten wir’s ab« und war einen Moment später – lautlos und geschmeidig wie eine Dschungelkatze – durch die Tür verschwunden.
     
    Jacko Vance beugte sich vor und deutete stirnrunzelnd auf den aufgeschlagenen Terminkalender. »Du siehst doch, Bill, ich hab für Sonntag zugesagt, am Halbmarathon teilzunehmen, Montag und Dienstag drehen wir, Dienstag abend ist diese Kluberöffnung in Lincoln – da kommst du doch hin, oder? …« Und nachdem Bill genickt hatte: »Ich habe bis Donnerstag einen Termin nach dem anderen, und dann fahre ich nach Northumberland – mein freiwilliger karitativer Einsatz. Ich sehe wirklich nicht, wie ich die noch unterbringen soll.« Er lehnte sich zurück und beklagte im stillen einmal mehr, daß die Sitzbank in diesem Produktionscaravan ein derart unbequemes Möbelstück war.
    »Darum geht’s doch, Jacko.« Bill Ritchie, der Produzent von
Besuch von Vance,
kannte den Star seiner Sendung lange und gut genug, um zu wissen, daß Überredungsversuche bei ihm wenig Sinn hatten. »Die Dokumentation soll ja gerade zeigen, wie beschäftigt du bist und daß du dennoch Zeit für Wohltätigkeitsaktivitäten findest.« Er tauchte mit zwei Bechern Kaffee aus der winzigen Kochnische auf.
    »Tut mir leid, Bill, aber das ist nicht drin.« Jacko wollte einen Schluck Kaffee trinken, stellte den Becher aber rasch wieder ab. Höllisch heiß, das Zeug. »Wann stellst du hier jemanden ein, der einen ordentlichen Kaffee macht?«
    Bill grinste. »Wenn’s nach mir geht, nie. Der lausige Kaffee ist die einzige Möglichkeit, dich auf andere Gedanken zu bringen, wenn du wieder mal irgendwas ausbrütest.«
    Jacko fühlte sich ertappt, blieb aber bei seinem bedauernden Kopfschütteln. »Ich tu’s trotzdem nicht. Erstens will ich die Kameraleute nicht auch noch an drehfreien Tagen auf den Hacken haben. Zweitens mache ich nicht in Wohltätigkeit, damit das zur besten Sendezeit über die Mattscheiben flimmern kann. Drittens will ich nicht, daß die armen Teufel, um die ich mich kümmere, ihre ausgemergelten Kehlen für die Kamera hinhalten müssen. Ich mach gern irgendwas anderes für dich, zum Beispiel zusammen mit Micky, aber ich will keinen von denen zum Objekt für die Kamera machen, bloß damit unsere Zuschauer ihr schlechtes Gewissen entdecken und ein paar Tausender mehr spenden.«
    Bill spreizte abwehrend die Hände. »Ist ja schon gut. Sagst du’s ihnen, oder soll ich das tun?«
    »Tu du’s lieber, Bill. Erspar mir den Ärger.« Jacko lächelte sein antrainiertes Lächeln, das brave Ehefrauen vor Augen hatten, wenn sie mit ihren Männern Liebe machten, Teenagersehnsüchten ein leibhaftiges Zielobjekt gab und alternde Damen ins Schwärmen geraten ließ.
    Männer mochten ihn auch, aber mehr, weil sie in ihm den guten alten Kumpel sahen. Schließlich war der Liebling der Sportpresse einmal Europameister im Speerwerfen und sicherer Anwärter auf olympisches Gold gewesen. Bis er dann eines Nachts auf dem Rückweg von einem Sportlertreffen in Gateshead auf der A 1 in eine Nebelbank gerast war. Nicht als einziger.
    Die Zahlen in den Morgennachrichten
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