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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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der Bisswunde. Er hatte starke Schmerzen, also habe ich ihm Schmerzmittel verabreicht und ein Antiemetikum, um das Erbrechen in den Griff zu bekommen. Außerdem haben wir ihm eine Kolloidinfusion, Antihistaminika und Adrenalin verabreicht.«
    »Was ist mit Antivenin?«
    »Die von der Giftzentrale haben uns etwas per Kurier geschickt. European Viper Venom Antiserum. Darauf schien er tatsächlich anzusprechen, aber am nächsten Tag ist sein Blutdruck abgesackt und es sind Herzarrhythmien aufgetreten. Am dritten Tag hat er Krampfanfälle bekommen, am vierten kamen eine akute Pankreatitis und Nierenversagen dazu. Die letzten zehn Stunden lag er im Koma.«
    Dr. Richards schwieg einen Moment. »Das ist ja ziemlich schrecklich. Es tut mir leid«, sagte ich dann. »Aber wie kann ich Ihnen helfen?«

    Ich saß an meinem Schreibtisch im Labor und starrte auf die Unterlagen, die Harry Richards mir dagelassen hatte. Die Ergebnisse von der Blutuntersuchung eines Toten. Alle paar Sekunden blickte ich auf und starrte auf den Bildschirm vor mir. Etliche meiner alten Uni-Lehrbücher waren auf dem Schreibtisch verstreut. Wieder betrachtete ich die Blutwerte. Sie verrieten mir nichts, was ich nicht schon wusste. Ich griff nach dem Telefon.
    »Hier ist Clara Benning«, sagte ich, als ich zu Harry Richards durchgestellt worden war. »Die Schlange ist definitiv eine Vipera berus. Mit anderen Worten, eine gemeine Kreuzotter. Und Ihr Labor hatte recht. Das Gift stammt ebenfalls von einer Kreuzotter.«
    »Alles klar.« Er hielt einen Augenblick lang inne und begriff, dass ich noch nicht fertig war. »Gibt’s sonst noch was?«
    »Es wurde nur die eine Schlange gefunden?«, fragte ich. »Wäre es möglich, dass es mehrere waren?«
    Eine Weile herrschte Schweigen. »Bisher habe ich nichts von anderen Schlangen gehört. Es könnten wohl mehrere gewesen sein, aber …« Er verstummte.
    »Als Sie ihn untersucht haben, wie viele Bissspuren haben Sie da gefunden?«
    Ich hörte Papier rascheln.
    »Nur eine. Zwei Wunden, wo die Fangzähne die Haut punktiert hatten. Ich sehe mir gerade die Fotos an. Ich kann sie Ihnen zeigen. Wieso, was haben Sie denn gefunden?«
    »Ich weiß es noch nicht genau«, antwortete ich. »Kann ich die Laborergebnisse und die Schlange noch ein paar Tage behalten? Ich würde mich da gern mit jemandem kurzschließen.«
    »Und was sage ich dem Coroner?«
    »Sagen Sie, es werden noch Tests gemacht. Ich melde mich Montag wieder bei Ihnen.«
    Dr. Richards und ich verabschiedeten uns, und ich wollte schon aufstehen. Ich hatte noch jede Menge Arbeit zu erledigen.
Doch dann setzte ich mich wieder und dachte nach. Zwei Vorfälle, bei denen Giftschlangen im Spiel gewesen waren. In derselben Woche. Sogar im selben Dorf. Ich seufzte und griff abermals zum Telefon.
    »Roger«, fragte ich, als der Mann am anderen Ende abnahm, »was haben Sie morgen Vormittag vor?«

5
    »Nicht schon wieder eine Schlange!«
    Ich fuhr zusammen. Harriet hatte sich von hinten an mich herangeschlichen und schaute mir über die Schulter. Sie sah genauer hin. »Ich weiß ja nicht, ob wir für die da viel tun können.« Dann beugte sie sich vor und legte mir die Hand auf die Schulter. Ich widerstand dem Impuls, mich zu versteifen; sie meinte es gut. »Clara, sind Sie sicher, dass alles okay ist?«, fragte sie. »Ich weiß, es gibt viel zu tun, aber wir kommen schon zurecht, wenn Sie weg wollen.«
    Ich drehte mich um. Sie war sehr nahe, ihr Gesicht gerade mal eine Handbreit von meinem entfernt, doch Harriet war an mich gewöhnt. Sie zuckte nicht zurück.
    »Wie meinen Sie das, ›Nicht schon wieder eine Schlange‹? Wie viele Schlangen haben wir denn?«
    »Behandelt noch gar keine«, antwortete sie. »Nur tauchen die Viecher hier in letzter Zeit anscheinend in rauen Mengen auf.«
    »Ich habe keine gesehen.«
    »Wie auch! Sie waren entweder tot oder kerngesund und hatten sich nur in einem Netz verheddert. Nachdem wir sie losgemacht hatten, haben wir sie freigelassen. Steht alles im Zugangsbuch.«
    Ich schob meinen Stuhl seitwärts am Tisch entlang. Jedes Tier, das in die Klinik gebracht wird, wird automatisch in unserem Zugangsverzeichnis erfasst. Ich ließ den Blick die Liste hinuntergleiten. Heute war der dritte Freitag im Mai. Anfang der Woche hatte jemand eine Ringelnatter gefunden, die sich in dem Netz verfangen hatte, mit dem der Teich der Familie abgedeckt war. Harriet und eine der anderen Pflegerinnen hatten die Nylonmaschen aufgeschnitten. Sie hatten
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