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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck.
Autoren: Rosamunde Pilcher
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und Par­fum. Ele­gant ge­klei­de­te Men­schen sa­ßen in klei­nen Grup­pen zu­sam­men. Se­li­na fühl­te sich wind­zer­zaust und leicht de­ran­giert.
    Sie woll­te sich ge­ra­de in Rich­tung Wasch­raum da­v­on­steh­len, als der Mann, der al­lein in der Nä­he der Bar ge­ses­sen hat­te, sie be­merk­te, auf­stand und auf sie zu­kam. Er war groß und gut­aus­se­hend, Mit­te Drei­ßig, und trug die ty­pi­sche Uni­form des Ge­schäfts­man­nes: einen dun­kel­grau­en An­zug, ein de­zent ge­streif­tes Hemd und ei­ne un­auf­dring­li­che ge­streif­te Kra­wat­te. Sein Ge­sicht war fal­ten­los und gut ge­schnit­ten, die Oh­ren la­gen eng am Kopf an, das brau­ne Haar war voll und glatt und reich­te ihm ge­nau bis zum strah­lend­wei­ßen Kra­gen­rand. Über sei­ner ta­del­los sit­zen­den Wes­te hing ei­ne gol­de­ne Uhr­ket­te, Man­schet­ten­knöp­fe und die Arm­band­uhr wa­ren eben­falls aus Gold. Er sah ge­nau so aus, wie er war: wohl­ha­bend, wohl­ge­pflegt, wohl­er­zo­gen und ei­ne Spur auf­ge­bla­sen.
    „Se­li­na“, sag­te er.
    Ih­re Flucht in den Wasch­raum wur­de ab­rupt ver­ei­telt. Se­li­na dreh­te sich um. „Oh, Rod­ney...“ Sie zö­ger­te.
    Er küß­te sie und be­merk­te: „Du bist spät dran.“
    „Ich weiß. Es tut mir leid. Es war so ein Ver­kehr.“
    Sein Blick zeig­te ihr, wenn auch re­la­tiv freund­lich, wie un­pas­send er ihr Aus­se­hen fand. Ge­ra­de woll­te sie sa­gen „Ich geh mir kurz die Na­se pu­dern“, doch er kam ihr zu­vor: „Du gehst dir wohl lie­ber die Na­se pu­dern.“ Das konn­te sie wahn­sin­nig ma­chen. Sie zö­ger­te. Soll­te sie ihm er­klä­ren, daß sie ge­ra­de auf dem Weg zum Wasch­raum ge­we­sen war, als er sie auf­ge­hal­ten hat­te? Es schi­en kaum der Mü­he wert. Al­so lä­chel­te sie, Rod­ney lä­chel­te zu­rück, und sie gin­gen wort­los aus­ein­an­der - an­schei­nend in völ­li­gem Ein­ver­neh­men.
    Als sie zu­rück­kam, das reh­brau­ne Haar glatt­ge­kämmt, die Na­se frisch ge­pu­dert, die Lip­pen nach­ge­zo­gen, saß er auf ei­nem klei­nen, ge­schwun­ge­nen Sa­tin­so­fa und war­te­te auf sie. Vor ihm auf dem klei­nen Tisch stan­den sein Mar­ti­ni und der blas­se, tro­cke­ne Sher­ry, den er im­mer für Se­li­na be­stell­te. Sie setz­te sich ne­ben ihn.
    „Lieb­ling“, be­gann er, „be­vor wir von et­was an­de­rem re­den, muß ich dir für heu­te nach­mit­tag ab­sa­gen. Um zwei Uhr er­war­te ich einen Kli­en­ten, ein ziem­lich wich­ti­ger Mensch. Es macht dir doch nichts aus? Mor­gen kann ich es ein­rich­ten.“
    Sie hat­ten vor­ge­habt, in die neue Woh­nung zu ge­hen, die Rod­ney ge­mie­tet hat­te und in der sie ihr Ehe­le­ben be­gin­nen woll­ten. Sie war erst kürz­lich re­no­viert wor­den, und jetzt, wo die Klemp­ner- und Elek­tri­ker­ar­bei­ten ab­ge­schlos­sen wa­ren, muß­ten sie nur noch die Räu­me aus­mes­sen und Ta­pe­ten und Vor­hän­ge und die pas­sen­den Far­ben aus­su­chen.
    Se­li­na sag­te ihm, daß es ihr na­tür­lich nichts aus­mach­te. Mor­gen paß­te ge­nau­so­gut wie heu­te. Ins­ge­heim war sie dank­bar, daß ihr ei­ne vier­und­zwan­zig­stün­di­ge Gal­gen­frist blieb, be­vor sie ge­zwun­gen sein wür­de, sich für die Far­be des Wohn­zim­mer­tep­pichs zu ent­schei­den und das Für und Wi­der von Chintz oder Samt zu er­wä­gen.
    Rod­ney lä­chel­te wie­der, er­freut über ihr Ver­ständ­nis. Er nahm ih­re Hand, dreh­te den Ver­lo­bungs­ring so, daß der Sa­phir ge­nau in der Mit­te ih­res schma­len Ring­fin­gers lag, und frag­te: „Und was hast du heu­te vor­mit­tag ge­macht?“
    Auf die­se di­rek­te Fra­ge hat­te Se­li­na ei­ne ganz be­son­ders ro­man­ti­sche Ant­wort. „Ich ha­be mir ein Hoch­zeits­kleid ge­kauft.“
    „Lieb­ling!“ Er war hoch­er­freut. „Und wo?“
    Sie sag­te es ihm. „Es klingt sehr phan­ta­sie­los, ich weiß, aber Miss Steb­bings... Sie lei­tet die Mo­dell­kleid-Ab­tei­lung, und mei­ne Groß­mut­ter ging im­mer dort­hin, und ich dach­te, ich ge­he lie­ber zu je­man­dem, den ich ken­ne. Sonst ma­che ich wahr­schein­lich einen Rie­sen­schnit­zer und kau­fe et­was ganz Schreck­li­ches.“
    „Wie kommst du denn dar­auf?“
    „Ach, du
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