Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
Vom Netzwerk:
Leuten, die vom Ufer zu ihm herüberstarrten.
    Schließlich schwamm er zum Strand, noch immer lachend und ganz benommen – er hatte es geschafft! Die Brandung spülte ihn die letzten Meter ans Ufer. Da begriff er, dass er doppelt Glück gehabt hatte. Bei Ebbe wäre er auf den Sand geknallt statt ins Wasser.
    Nailer kroch ins Trockene und stand auf. Seine Beine zitterten, aber er stand auf festem Land und war am Leben. Er lachte wie ein Irrer, während Bapi und Li und Rain und Hunderte von anderen Arbeitern sprachlos zu ihm herüberglotzten.
    » Ich lebe!«, schrie er. » Ich lebe!«
    Keiner sagte etwas, sie starrten ihn nur in einem fort an.
    Nailer wollte wieder schreien, doch etwas an ihren Gesichtern ließ ihn nach unten schauen.
    Die Gischt leckte an seinen Knöcheln, Rost und Drahtstücke wurde auf den Sand gespült. Muscheln und Isolierung. Die Gischt war rot. Blut lief ihm an den Beinen hinunter, und mit jedem Herzschlag nahm das Wasser eine dunklere Farbe an.

5
    » Du hast wirklich Glück gehabt«, sagte Pimas Mutter. » Eigentlich müsstest du tot sein.«
    Fast war Nailer zu müde, um etwas zu erwidern, doch er riss sich zusammen und grinste. » Aber ich bin es nicht. Ich lebe.«
    Pimas Mutter hielt ihm ein rostiges Stück Metall vor das Gesicht. » Wenn das nur einen Zentimeter tiefer in dir gesteckt hätte, wärst du als Fischfutter ans Ufer gespült worden.« Sadna musterte ihn mit ernstem Blick. » Du hast Glück gehabt. Die Parzen haben es heute gut mit dir gemeint. Sonst wäre es dir wie Jackson ergangen.« Sie reichte ihm die rostige Klinge. » Behalte das als Talisman. Das hatte es auf dich abgesehen. Genauer gesagt auf deine Lunge.«
    Nailer griff nach dem Metallstück, das ihn fast das Leben gekostet hätte, und verzog das Gesicht, als die Wundnähte sich spannten.
    » Verstehst du?«, sagte sie. » Heute liegt ein Segen auf dir. Die Parzen lieben dich.«
    Nailer schüttelte den Kopf. » Ich glaube nicht an Parzen.« Aber er sagte es leise, sodass Pimas Mutter es nicht hören konnte. Wenn es diese Schicksalsgötter wirklich gab, hatten sie ihn mit seinem Vater alleingelassen – offenbar mochten sie ihn nicht besonders. Da war es ihm lieber, die Welt wurde vom Zufall bestimmt. Wenn man Pima war und sich glücklich schätzen konnte, eine gute Mutter zu haben und einen Vater, der so anständig gewesen war zu sterben, bevor er anfangen konnte, sie zu verprügeln – dann war es in Ordnung, an die Parzen zu glauben. Aber wenn nicht? Dann musste man für sich selbst sorgen.
    Pima blickte auf, und ihre braunen Augen ruhten nachdenklich auf Nailer. » Dann bedanke dich eben bei den Göttern, die du anbetest. Mir ist es egal, ob es der elefantenköpfige Ganesha, Jesus Christus, der Rostheilige oder deine tote Mutter war, aber irgendjemand hat die Hand über dich gehalten. Und auf Geschenke spuckt man nicht!«
    Nailer nickte gehorsam. Pimas Mutter war das Beste, was ihm je passiert war. Er wollte sie nicht verärgern. Nirgendwo fühlte er sich so sicher wie in ihrer Hütte aus Plastikplanen, alten Brettern und Palmstämmen. Hier bekam er immer ein wenig Reis oder ein paar Flusskrebse, und selbst wenn es einmal nichts zu essen gab, nun, dann konnte er sich wenigstens darauf verlassen, dass in diesen Wänden – unter dem Schutz der blauen, auf Schnüren aufgezogenen Augen der Parzen und einer Statue des Rostheiligen – niemand versuchen würde, ihm wehzutun oder ihm etwas zu stehlen. Sadna strahlte eine solche Ruhe und Kraft aus, dass er sich in ihrer Gegenwart vor nichts fürchtete.
    Nailer bewegte sich vorsichtig, um auszuprobieren, ob die Nähte halten würden. » Fühlt sich gut an, Sadna. Vielen Dank, dass du mich wieder zusammengeflickt hast!«
    » Ich hoffe, dass es dir hilft.« Sie hielt den Blick gesenkt, während sie sich über einen Eimer mit Wasser beugte und die Edelstahlmesser säuberte. Das Wasser färbte sich langsam rot. » Du bist jung, und du nimmst keine Drogen. Und was du auch über deinen Vater sagen magst, du hast seine Zähigkeit geerbt. Deine Chancen stehen nicht schlecht.«
    » Glaubst du, dass ich eine Infektion bekomme?«
    Pinas Mutter zuckte mit den Achseln; unter dem ärmellosen Hemd, das sie trug, spannten sich sehnige Muskeln. Ihre schwarze Haut schimmerte im Kerzenlicht. Wegen Nailer würde sie heute ihre Quote nicht schaffen. Als Pima gehört hatte, dass er unten am Strand aufgetaucht war, hatte sie sofort ihre Mutter herbeigerufen.
    » Ich weiß es nicht, Nailer«, sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher