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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume
Autoren: Leah Fleming
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beinahe den Geruch nach frischer Farbe. Sogar ausgezeichnete Stewardessen standen jederzeit zu ihrer Verfügung, sobald sie auf einen Knopf an der Wand drückte. Wenn sie sich nur von Farb- und Leimgeruch fernhalten konnte, von dem ihr übel wurde. Schade, dass sie so leicht seekrank wurde. Seereisen waren dieser Tage eine luxuriöse Angelegenheit.
    Sie trafen die ältliche Witwe Mrs Grant oben am prächtigen Treppenaufgang neben der kunstvoll geschnitzten Uhr. Selwyn blieb stehen, um den eleganten Schwung der Treppe und die hohe, gitterartige Glaskuppel zu bewundern, die das Licht auf die geschnitzten Eichengeländer fallen ließ. »Nicht gerade zum Hinunterrutschen, Schwesterherz, was?« Er lächelte. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
    Ada Grant wollte den Sommer über ihre Schwester in Pennsylvania besuchen. Sie hatten keine Zeit, sich näher bekannt zu machen, bevor die Signalpfeife ertönte, doch Celeste versprach, später mit ihr Tee zu trinken.
    Für Selwyn wurde es Zeit, das Schiff zu verlassen, aber Celeste hielt seine Hand fest. Tränen stiegen auf, und sie klammerte sich an ihn. »Ich wünschte, ich könnte länger bei euch bleiben.«
    »Immer mit der Ruhe, mein Mädchen. Mama hat jetzt ihren Frieden gefunden.«
    Wie gern hätte sie es ihm ins Gesicht geschrien, ihm endlich die Wahrheit gesagt. »Ich weiß, ich muss ja auch zurück. Roddy braucht mich, aber … Du wirst dich für mich um Papa kümmern.« Ihr Herz krampfte sich zusammen bei dem Gedanken, dass ihr frisch verwitweter Vater und die beiden Brüder sie für glücklich hielten, mit einem wohlhabenden Geschäftsmann verheiratet zu sein, einen süßen kleinen Jungen und ein prächtiges Haus zu haben. Sie wussten nur, was Celeste sie wissen ließ. Sie sollten sich keine Sorgen machen.
    »Leb wohl und viel Glück.« Selwyn umarmte sie. »
Bon voyage
und das alles, und lass bis zum nächsten Mal nicht so viel Zeit verstreichen. Roddy wird schon lange Hosen tragen, bis wir ihn kennenlernen.« Mit diesen Worten verschwand er, schritt durch den Gang und ging von Bord.
    Celestine schaute ihm traurig nach. Es schien ihr, als habe sie sich noch niemals so einsam gefühlt.
    Jetzt brauchte sie frische Luft und einen letzten, sehnsüchtigen Blick auf den Kai. Sie musste sich von ihrem Land verabschieden. »Etwas mehr Haltung«, ermahnte sie sich. »Sei britisch und schluck deinen Kummer herunter.« Sie musste dabei an die Worte ihres Vaters denken, der sie am Abend zuvor dabei ertappt hatte, wie sie in ihrem Zimmer weinte. Sie hatte nicht den Mut gehabt, ihm den wahren Grund für ihre Tränen zu nennen.
    Sie hüllte sich in ihren neuen schwarzen Mantel, steckte den schwarzen Hut fest, zog sich den Schleier vor das Gesicht und machte sich durch den holzgetäfelten Gang mit dem in zwei Blautönen gehaltenen Teppich auf den Weg. An jeder Ecke schienen lächelnde Stewarts zu stehen, die ihr den Weg auf das Promenadendeck wiesen.
    Das Schiff erwachte zum Leben, und sie wollte zusehen, wie es vom Liegeplatz abdrehte, um die Flussmündung hinab Richtung Cherbourg zu fahren, siebzig Meilen quer über den Ärmelkanal. Frankreich sollte der nächste Zielhafen sein.
    Eine Menschenmenge versammelte sich an der Reling, als die Dampfsirenen über die Stadt dröhnten. Leute kletterten auf Pfosten und standen an offenen Fenstern, winkten von Aussichtspunkten an der Küste, riefen und jubelten ihnen zu. Wie sehr wünschte sie sich, wieder ein kleines Mädchen am Meer in Sidmouth zu sein und die großen Segelschiffe zu beobachten, die über das Wasser glitten. Roddy hätte das alles gut gefallen. Er war fast drei und so ein Plappermaul. Sie hatte ihm Bilderbücher über London und Postkarten von der
Titanic
gekauft sowie eine Spielzeugyacht, anhand derer sie ihm erklären konnte, wo sie die ganze Zeit gewesen war.
    Langsam entfernte sich die
Titanic
vom Liegeplatz, gezogen von kleinen Schleppern, die sie so manövrierten, dass sie mit dem Bug flussabwärts schaute.
    Andere große Linienschiffe waren an ihren Ankerplätzen festgezurrt wie unruhige Pferde im Stall, aber die von der
Titanic
ausgehende Bugwelle sorgte dafür, dass sich eins der Linienschiffe von seinem Anleger löste.
    »Die Leinen der
New York
sind gerissen!«, rief einer der Seeleute, die hinter Celeste arbeiteten.
    »Die wird mit uns zusammenstoßen!«, schrie ein Passagier.
    »Verdammt, so fängt eine Jungfernfahrt ja gut an!«, brüllte ein anderer einen Offizier an, der erschrocken zusah.
    Aller Augen
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