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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume
Autoren: Leah Fleming
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waren auf die
New York
gerichtet. Ihr Heck beschrieb einen Bogen und trieb auf sie zu. Doch darunter kam ein kleiner Schlepper in Sicht, der den losen Tampen aufnahm, das ausgebrochene Ross unter Kontrolle bekam und es fortzog, während der Kapitän auf der Brücke über ihnen das Schiff außer Gefahr und dem auf sie zukommenden Linienschiff aus dem Weg steuerte. Es hatte den Anschein, als führen sie rückwärts.
    »Ende des Dramas. Das war knapp!« Erleichtert seufzten die Zuschauer auf, doch Celeste hörte zufällig einen Stewart, der leise vor sich hin murmelte: »Ich habe dieses Schiff schon vorher nicht gemocht, und jetzt gefällt es mir noch weniger. Es kann nicht einmal ins Wasser, ohne Probleme zu verursachen.«
    Sie schmunzelte. Seeleute waren ein abergläubischer Haufen, und sie hatte keine Zeit für solche Torheiten. Jeder ist seines Glückes Schmied, dachte sie. Allein darin war sie sich mit Grover einig. Über Missgeschicke zu grübeln, die nicht passierten, war sinnlos. Das machten schon zu viele. Die Gefahr war durch Können und Wissen vermieden worden. Das war ein gutes Omen für ihre Reise.
    Jetzt waren sie mit etwa einer Stunde Verspätung unterwegs. Höchste Zeit, den Rest dieses schwimmenden Palasts zu erkunden. Doch zuerst musste sie Tee mit ihrer Anstandsdame trinken. Mrs Grant wartete im Café Parisienne auf sie.
    »Ist das nicht modern? Es ist wie eine offene Veranda, und das Flechtwerk mit dem Efeu ist so realistisch, finden Sie nicht? Man hat an alles gedacht. Überall Licht und Luft und Blick aufs Meer. Die Reise wird Spaß machen, nicht wahr?«
    Celeste versuchte begeistert auszusehen, doch sie konnte nur an Selwyn denken, der auf dem Weg nach Hause war, und daran, was in Akron, Ohio, wohl auf sie wartete.
    Später schlenderte sie um das frisch geschrubbte Deck, erfreute sich an den vertrauten Klängen, die das Schiffsorchester auf einem Promenadendeck in der Nähe anstimmte. Sie hatte Hinweisschilder auf einen Sportraum, ein Schwimmbad und ein türkisches Bad unter Deck gesehen. Als sie den Leseraum entdeckt hatte, suchte sie sich eine ruhige Ecke, um ihren Roman von Edith Wharton zu lesen,
Das Haus der Freude
. Sie musste die verbleibende Zeit nutzen, in der sie allein war. Hierher würde sie sich wohl zurückziehen, zu den weichen Lehnsesseln und den Schreibtischen. Der Raum war in klassizistischem Stil gehalten, mit weiß gestrichenem Stuck, schlichter Einrichtung und einem Erkerfenster, das auf das Promenadendeck hinausging und noch mehr Licht hereinließ. Hier konnte sie auf einen Sessel sinken und sich in ihr Buch vertiefen.
    Doch als sie sich immer weiter vom Ufer entfernten, verspürte sie ein eigenartiges Brennen im Magen. Es war an der Zeit, sich in die Sicherheit ihres Himmelbetts zu begeben, bis dieses Gefühl nachließ. Dieser ganze Luxus war kein Ersatz für Glück, aber er machte das Elend erträglicher.

5
    Es war Sonntag, und May hatte gehört, dass irgendwo auf den oberen Decks ein Gottesdienst stattfinden sollte. Sie fragte einen Stewart nach dem Weg.
    »Das ist nur für Passagiere der ersten und zweiten Klasse, Ma’am«, sagte er und musterte sie von Kopf bis Fuß.
    »Nun, ich gehöre der anglikanischen Kirche an, wo soll ich denn dann meine Andacht verrichten?«, erwiderte sie und ließ sich durch sein schroffes Verhalten nicht abwehren.
    »Ich sehe nach«, seufzte er. »Warten Sie hier.«
    Jetzt, nachdem sie sich an den Seegang gewöhnt hatte, war ihre Laune besser geworden, und Joe hatte ihr vorgeschlagen, sich doch ein wenig Zeit für sich zu nehmen, während er auf Ellen aufpasste. In ihrem Sonntagsstaat sah sie ganz respektierlich aus. Warum sollte sie nicht mit der Crème de la Crème zusammen in der Kirche sein?
    Nach dem Hin und Her zu urteilen, hatte ihre Nachfrage für Wirbel gesorgt, doch schließlich begleitete ein Stewart sie nach oben, öffnete ein paar Trennwände zu den oberen Decks, um sie ins Allerheiligste zu lassen. »Sie hatten recht, Ma’am. Der Gottesdienst ist für alle.«
    Hier roch die Luft nicht nach Eintopf, Soße oder abgestandenem Schweiß. Stattdessen wehte May der Duft nach frischen Lilien, Nelken und Zigarren entgegen, und sie spürte einen dicken, reich gemusterten Teppich unter den Füßen. Sie war zu schlicht gekleidet und fühlte sich befangen, doch diejenigen, die an Deck promenierten, schienen keine Notiz von ihr zu nehmen. Der Stewart drängte sie rasch vorwärts, bis sie zu einem prächtigen Speisesaal kamen, in dem
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