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Schicksal!

Schicksal!

Titel: Schicksal!
Autoren: S.G. Browne
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um
Bestimmung
zu bitten, zu warten, sich wieder hinzusetzen und mir zu erzählen, wie es allen geht. Ich will wissen, ob sie sich mit Teddy unterhalten hat, will sie über Sara ausfragen. Ich will, dass sie einfach nur bleibt und mir Gesellschaft leistet. Aber sie ist schon fort, und ich bin wieder allein. Sitze mit meiner leeren Flasche Wein und meinem leeren Leben in diesem leeren Park und bin umgeben von Schatten und Fremden und einer Existenz, die nicht meine eigene ist.
    Ich schaue zu, wie der Hudson River vorbeifließt, meine Augen füllen sich mit Tränen, und ehe mir klarwird, was ich da tue, knie ich nieder und bete zu Jerry. Ich flehe den Himmel an, bitte Jerry, mich zurückzunehmen. Verspreche ihm, dass ich der vorbildlichste Angestellte sein werde, wenn er mir noch eine einzige Chance gibt. Ich würde sogar so etwas wie
Unterwürfigkeit
oder
Speichelleckertum
annehmen. Irgendwas, das mir die Möglichkeit gibt, wieder unsterblich zu sein. Bei dem ich mich um Menschen kümmern kann. Bei dem ich die Gelegenheit bekomme, Sara zu sehen. Bei dem ich nah bei ihr sein kann, selbst wenn sie nicht weiß, wer ich bin oder was wir einst miteinander geteilt haben.
    Ich warte auf eine Antwort, während die Sonne hinter New Jersey versinkt. Ich warte so lange, bis die Nacht hereinbricht und der Mond aufgeht. Ich warte so lange, bis die Sterne verlöschen und die Nacht dem Morgen gewichen ist.
    Dann höre ich auf zu warten. Ich rappele mich auf und gehe auf die George Washington Bridge zu.

53
    D ie George Washington Bridge ist von Manhattan aus begehbar: Von der 178 th Street führt eine lange, steile Rampe darüber, die ideal für Radfahrer ist. Zu dieser Zeit am Morgen sind keine Radfahrer da; der Verkehr ist ziemlich dünn. Und deshalb bemerkt auch niemand, wie ich die im Zickzack verlaufenden Streben des stählernen Turms auf der New York zugewandten Seite hochsteige.
    Während ich zur Spitze hinaufklettere, denke ich immer wieder, dass diese letzten drei Monate nur ein langer, bizarrer, beschissener Traum gewesen sind. Dass ich in Wirklichkeit im Bett neben Sara liege oder dass ich in
Wahrheits
und
Weisheits
Gästezimmer nach einer durchzechten Nacht das Bewusstsein verloren habe. Oder dass ich bei einem heißen Schlammbad während eines Wellness-Ausflugs zur Venus eingedöst bin. Und wenn ich aufwache, werde ich entdecken, dass ich immer noch unsterblich bin. Ich werde so glücklich sein, dass meine Existenz mit Liebe und Sinn und der Fähigkeit zur spontanen Selbstentzündung erfüllt ist, dass ich mich von da an voll darauf besinnen werde, der beste Sergio zu sein, der ich überhaupt sein kann.
    Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich durch diese Gedanken bloß ablenken oder mich zum Weiterklettern motivieren will – schließlich ist es ja nur ein Traum. Trotzdem hilft es mir definitiv dabei, die Tatsache auszublenden, dass ich dringend pinkeln muss.
    Die Spitze des Turms liegt mehr als zweihundert Meter über dem Hudson River, und deswegen sind meine Hände wund und blutig, und ich habe hämmernde Kopfschmerzen, als ich den höchsten Punkt erreiche. Vielleicht ist es keine so gute Idee, auf die Spitze einer Hängebrücke zu klettern, nachdem man eine Flasche billigen Wein getrunken hat, mit
Bestimmung
gestritten hat und von Gott ignoriert worden ist. Aber manchmal machen Leute eben dumme Sachen.
    Ich setze mich auf eine Kante und schaue gen Süden über den Hudson. Mein Atem geht in tiefen, panischen Zügen. Ich hatte eigentlich nie Höhenangst. Doch wenn man den Tod tatsächlich vor Augen hat, erkennt man sehr genau, dass der Weg nach unten verdammt weit ist.
    »Du hättest dir die Mühe mit deiner Klettertour hier sparen können«, sagt eine Stimme hinter mir.
    Ich drehe mich um und sehe Teddy auf dem Turm stehen. Wenn er einen Anzug anhätte oder etwas Bequemes oder selbst den Mantel der Apokalypse, würde ich denken, er wäre hier, um mir die Sache auszureden. Um mich anschließend auf ein Steak einzuladen, mir vielleicht einen Platz zum Schlafen und eine Dusche zur Verfügung zu stellen. Stattdessen trägt er schwarzes Regenzeug und blaue Untersuchungshandschuhe – also weiß ich, dass das hier kein Höflichkeitsbesuch ist.
    »Schön, dich zu sehen«, sage ich.
    »Das höre ich nicht sehr oft«, erwidert er und setzt sich neben mich. »Aber danke. Du hast schon besser ausgesehen.«
    »Tja. Versuch du mal, drei Monate lang ein Mensch zu sein – dann reden wir weiter«, erkläre ich.
    Teddy nickt. »Der
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