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Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Titel: Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
Autoren: Nicola Förg
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falschen Tabletten in einer falschen Dosierung einnahmen. Der Schrank war mit Kleidung nur spärlich bestückt, auf dem säuberlich gemachten Bett saß ein Plüschhase, der sehr abgegriffen aussah.
    Als die drei wieder das Zimmer verlassen hatten, blickte Kathi auf eine Tür am Ende des Gangs.
    »Da tät ich nicht rausgehen. Da ist ja … also … da ist ja nix mehr«, sagte Herbert.
    Kathi stutzte. Klar, an das Haus schloss sich der kleine Stall an, der von der mehrstöckig gebauten Tenne quasi umschlossen war. Und die Tenne war ja nun komplett abgebrannt. Da war wirklich nichts mehr …
    Aus dem kleinen Bad, das kaum mehr als ein paar Schminkutensilien, ein Duschgel, einen Deoroller und ein billiges Parfüm enthielt, holte Kathi die Zahn- und Haarbürste von Ionella und packte sie in Plastikbeutel – für den DNA -Abgleich. Eine Weile standen sie alle unschlüssig im Gang.
    Andrea warf noch einen Blick in das Zimmer und auf den Hasen. »Ist das traurig«, sagte sie leise.
    Kathi war schlecht, und sie hatte Hunger.
    Momentan war wenig zu tun. Sie mussten auf eine schnelle Identifizierung der Leichen hoffen. Als Nächstes würden sie mit den beiden Alten reden und mit der übrigen Familie. Aber für den Moment lag eine gespenstische Stille über dem Haus, das noch vor wenigen Stunden von den Sirenen umjault gewesen und vom Feuerschein hell beleuchtet gewesen war.
    Herbert ging langsam zu seinem Jeep. Vorbei an dem Jägerzaun, vorbei an den flackernden Lichtern der Polizei, die immer noch den Himmel durchzuckten. Dann spie er. Auf seine Schuhspitzen, auf die Feuerwehrstiefel. Haix, »Schuhe für Helden«, trug man bei den Wehren – doch wie ein Held fühlte er sich in diesem Moment nicht gerade.

2
    »In my darkest hour«, sang eine einschmeichelnde Frauenstimme. Ein paar Kerzen brannten in der morgendlich leeren Bibliothek, die auch ein Restaurant beherbergte. Hier, im Sortland Hotell, hatte der Schriftsteller Lars Saabye Christensen sein letztes Buch geschrieben. Viele seiner Werke wuchsen die Wände hinauf, in einer Glasvitrine ruhte ein Originalmanuskript, der Widerschein der Kerzen tanzte auf den Scheiben.
    Irmi war in den letzten Wochen öfter hier gewesen. Immer wenn es größere Einkäufe zu tätigen gab, fuhr man in die Stadt. Wobei Stadt ein bisschen übertrieben war, Sortland war eher ein Städtchen. Irmi nippte an ihrem Kaffee, während draußen ein bläuliches Licht Schlieren in den Himmel zu ziehen begann. Es war neun Uhr morgens, erst gegen zehn würden sich Rosa und Lila ins Blau mischen. Um zwei würde der Farbkasten Gelb und Orange hinzufügen, die schwarzen Fjordberge würden scharfe Konturen zeichnen, und dann würde das Licht wieder davongleiten – langsam, sanft, sphärisch.
    Die ersten Tage war Irmi geneigt gewesen hinauszustürmen, um das Licht schnell aufs Foto zu bannen. Doch der Himmel hier war viel gnädiger zu den Fotografen als der in den Alpen mit seinen schnellen Sonnenauf- und -untergängen. Sie hatte schon bald gelernt, dass sie sich hier auf 68 Grad und 42 Minuten nördlicher Breite befand. In der Polarnacht kam die Sonne nicht mehr über den Horizont, dennoch war Licht, magisches Licht, vier bis fünf Stunden lang. Genug Zeit für Hunderte, ja Tausende von Fotos. Genug Zeit für einen weiteren Kaffee, den die Norweger ja literweise tranken.
    Es war ein klarer Tag, es würde heute heller werden als an den Tagen zuvor. Irmi beschloss, zum Hafen zu schlendern, durch die Stadt, die immer blauer wurde, und zwar nicht nur wegen des Himmelsspektakels. Zur Jahrtausendwende hatte der Künstler Bjørn Elvenes nämlich ein Projekt entwickelt, mit dem aus Sortland, dem »schwarzen Land«, eine »blaue Stadt« werden sollte, Blåbyen. Er entwarf eine Farbpalette und begann die Häuser Sortlands in verschiedenen Blautönen zu streichen. Sortland war zu diesem Zeitpunkt nicht gerade ein Vorzeigestädtchen, und der Künstler wollte mit seiner Aktion die depressive Stimmung wegmalen. Die Stadtväter hatten sich für besonders clever gehalten und dafür Industriefarbe zur Verfügung gestellt, die billiger war. Der Künstler klagte wegen der mangelnden Qualität, es gab ein langes Hin und Her – nun wurde schließlich weitergemalt, in diversen Blautönen. Letztlich herrschten auch hier am Weltenende, an der Kante des Universums, Bauernschläue und die Macht des Geldes.
    Am Hafen lag die »Arctic Whale«, eine Gruppe von Touristen hatte aufgeregt das Deck gestürmt. Winter Whale Watching Tours
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