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Schatz, schmeckts dir nicht

Schatz, schmeckts dir nicht

Titel: Schatz, schmeckts dir nicht
Autoren: Ella Danz
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Die Jagdsaison war eröffnet.
     
    Die Tage bis zu diesem entscheidenden Wochenende flogen nur so dahin. Sie hoffte, man würde ihr die Ungeduld nicht anmerken, und traf systematisch ihre Vorbereitungen. Zum Glück musste sie auch die Kinder nicht weiter motivieren, diese zwei Tage außer Haus zu verbringen: Peer und Klassenkameraden wollten sich im Haus eines der Jungen auf dem Lande in Ruhe auf die mündliche Abiprüfung vorbereiten. Mit Elisas Eltern und der Freundin fuhr Janina zu einem Reitturnier nach Ostfriesland, was der Entfernung wegen ohnehin nur mit Übernachtung machbar war.
    Helene besprach mit Jan, was sie noch alles für seine Lanzarote-Reise vorzubereiten hätte. Außerdem tätigte sie ihre notwendigen Einkäufe in den einschlägigen Fachgeschäften. Am Freitagnachmittag fuhr sie Jan zum Bahnhof und am Abend rief sie mit starkem Herzklopfen bei Diane an. Was, wenn sie nicht da war? Wenn sie keine Zeit hatte oder Besuch? Oder wenn sie sich einer Zusammenkunft verweigerte? Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt und es musste einfach klappen.
     
    Sie hatte Diane richtig eingeschätzt. Nicht nur, dass sie gegen eine Zusammenkunft nichts einzuwenden hatte, im Gegenteil, sie schien Helenes Initiative direkt erwartet zu haben.
    »Siehst du, ich wusste doch, dass du so eine Aussprache brauchen kannst. Ein bisschen Ahnung vom Seelenleben der Menschen habe ich schon. Es ist ganz natürlich, sich erst einmal dagegen zu wehren.«
    Weisheit, Güte, unendliches Verständnis und allumfassende Liebe quollen Helene aus dem Hörer entgegen. Diane war ganz in ihrem Element.
    »Du wirst sehen, wenn du dich ganz öffnest, wirst du dich sehr erleichtert fühlen.«
    Helene wusste nicht, welche Art von Geständnissen Diane sich von ihrer Aussprache erwartete. Aber zum jetzigen Zeitpunkt war ihr das ohnehin egal, und so verabredeten sie sich in Dianes Häuschen für den frühen Samstagmorgen.
     
    Sonnenstrahlen drangen durch die Zweige der alten Bäume, Vogelgezwitscher erfüllte die Luft, als Helene am späten Sonntagnachmittag den Kofferraumdeckel ihres Wagens zuklappte. Sie warf noch einen letzten Blick auf das kleine Haus, das, versteckt hinter einem dichten Blätterkleid aus Knöterich und Pfeifenwinde, mehr denn je einem verwunschenen Hexenhäuschen glich.
     
    Mein Vöglein mit dem Ringlein rot
    Singt Leide, Leide, Leide
    Es singt dem Täublein seinen Tod,
    Singt Leide, Leide …
     
    Und die arme Jorinde verwandelte sich in eine Nachtigall – zicküt, zicküt, zicküt. Eine wunderschöne Geschichte!
    Park und Straße waren menschenleer, als Helene das Auto zwischen üppigen Schneeballbüschen vom Grundstück rollen ließ. Sie war mit sich zufrieden. Sie hatte gründliche Arbeit geleistet und wie es ihre Art war, die Stätte ihres Wirkens so verlassen, wie sie sie vorgefunden hatte. Die gut gepflegten Küchenkräutlein, die sie im Januar Diane geschenkt hatte, würden sich an ihrem neuen Standort im Freien prächtig entwickeln. Dankbar erinnerte sich Helene auch des lehrreichen Hubertuswochenendes auf Schloss Warthenstein. Es gab eben Dinge im Leben, deren eigentlicher Sinn und Zweck sich erst viel später offenbarte.
     
    Mit einem kräftigen Ruck wuchtete Helene die schwere, alte Seekiste in die hinterste Ecke der Bodenkammer, wo sie schon die prall gefüllte, samtene Reisetasche und den Koffer verstaut hatte. So weit, so gut. Sie würde sich demnächst in aller Ruhe um die Weiterverarbeitung dieser Sachen kümmern. Hier standen sie erst einmal sicher. Außer ihr hatte niemand den Boden in den letzten Jahren betreten. Es fand sich hier nichts als einige Werkzeuge und Materialien, sowie leider auch immer noch Müll vom damaligen Dachausbau und einige nicht ausgepackte Umzugskisten, deren Inhalt keiner vermisste. Puh! Sie schwitzte vor Anstrengung. In der kleinen Kammer war es brütend heiß.
    Schon lange hatte Helene eine Dusche nicht mehr als so reinigend und erfrischend empfunden. Sie zog frische Unterwäsche an und das hellgraue, kurze Leinenkleid und bereitete dann alles für ein familiäres Abendessen vor. Ein bisschen was Nettes, allen Geschmacksrichtungen gerecht werdend, damit es ein wirklich schöner Abend würde. Sie eilte aus dem Haus, um Jan am Hauptbahnhof in Empfang zu nehmen.
     
    Kein kastanienrot lohendes Haar, keine wallenden Gewänder störten diesmal das Wiedersehen. Helene umarmte ihren Mann entsprechend heftig zur Begrüßung und wie immer stellte der auf seine ruhige, sachliche Art fest,
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