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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman
Autoren: Andrea Busfield
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dass
     griechische Lehranstalten nichts als Brutstätten für Terroristen waren, die Schule dichtgemacht. Und mit ihr 418 andere Schulen,
     die nach Demonstrationen und dem Hissen der griechischen Flagge als ebenso überflüssig erachtet wurden.
    Georgios, der Bildung sogar über das Erlernen eines Handwerks wie des seinen stellte, war außer sich vor Wut gewesen. Und
     die Solidaritätsbekundungen, mit denen er jedes Mal empfangen wurde, wenn er das Kaffeehaus betrat, vermochten sein erhitztes
     Gemüt nicht zu besänftigen. Für die Männer im Dorf waren Nicos und Marios zu patriotischen Helden aufgestiegen. Sogar der
     Priester erwähnte sie in seiner Sonntagspredigt, lobte den Widerstand gegen die Unterdrücker, den die »ruhmreichen Söhne von
     Georgios, diese Söhne Zyperns, ja ganz Griechenlands« geleistet hatten. Einem Tobsuchtsanfall nahe entschied Georgios daraufhin,
     dass seine drei noch schulpflichtigen Söhne nur durch harte Arbeit zu der Einsicht kommen konnten, dass sie falsch gehandelt
     hatten. Bis die Briten einlenken und die Klassenzimmer wieder öffnen würden, mussten sich die drei einen Aushilfsjob suchen.
     Loukis war fuchsteufelswild gewesen, nicht nur, weil er es als himmelschreiende Ungerechtigkeit empfand, für die Missetaten
     seiner Brüder bestraft zu werden,sondern auch, weil er Praxi nur während der Schulzeit überhaupt noch zu Gesicht bekam. Seit dem Einsetzen ihrer Periode durfte
     sie ihre Freizeit ausschließlich in weiblicher Eintracht verbringen, mit Maria oder mit irgendeinem anderen Mädchen, das ihre
     Mutter anschleppte. Aus diesem Grund, und aus keinem anderen, hatte sich Loukis eine Arbeit bei Stavros gesucht und nicht
     wie seine Brüder in den Lagerhäusern am Hafen von Keryneia. Hier im Dorf war er näher bei Praxi.
    Da Stavros jeden Tag älter und dicker wurde und der Großteil seiner Familie entweder in den Süden gezogen, verheiratet worden
     oder in Richtung Türkei verschwunden war, erklärte sich der Bauer einverstanden, Loukis ein Zypern-Pfund pro Woche für seine
     Hilfe bei jeder Ernte zu zahlen, die saisonbedingt gerade anfiel. Es war Knochenarbeit, doch der salzige Geschmack von Schweiß
     auf seinen Lippen, die zunehmende Bräune seiner Haut und die Muskeln, die er durch das Schleppen der schweren Körbe trainierte
     – all das gefiel Loukis.
    Er sah auf und leerte hastig seine Cola. Praxi kam die Straße herauf. Sie trug ein grünes Kleid und schwenkte fröhlich eine
     Ledertasche. Darin befanden sich frisches Brot, ein Glas schwarze Oliven und ein Stück Ziegenkäse. Auch Stavros entdeckte
     sie und zwinkerte Loukis zu.
    »Na, hau schon ab«, sagte er. »Wir sehen uns dann nach dem Mittagessen.«
    Da die Sonne das Meer nach dem Winter nun allmählich aufzuwärmen begann, beschlossen Praxi und Loukis, am Strand zu essen.
     Praxis ärmelloses Kleid schmiegte sich eng an ihre Taille und flatterte ihr frech und knapp um die Oberschenkel. Sie musste,
     so stellte Loukis fest, seit dem letzten Jahr ein ganzes Stück gewachsen sein. Und für den Bruchteil einer Sekunde fiel ihm
     etwas spitzenbesetztes Blaues ins Auge.
    »Trägst du etwa einen BH?«
    »Ja, Loukis, das machen Frauen so. Und willst du wissen, warum? Soll ich’s dir zeigen?«
    Praxi kicherte, und Loukis lief knallrot an, woraufhin sieimmer lauter lachte. Sie war in Hochstimmung, fühlte sich anders, schön – und frei. Seit die Briten Erzbischof Makarios von
     der Insel gejagt hatten, verharrte ihre Mutter in einer Art religiöser Schockstarre, was bedeutete, dass sie Praxis Tugendhaftigkeit
     nicht mehr mit derselben erstickenden Radikalität zu überwachen vermochte, die sie in den vergangenen acht Monaten an den
     Tag gelegt hatte.
    Makarios war Zyperns geistlicher und politischer Führer – und man beschuldigte ihn, junge Griechen mit anti-britischer Propaganda
     indoktriniert und sie außerdem dazu ermuntert zu haben, sich der EOKA anzuschließen. Nach allem, was Loukis von seinem Bruder
     Michalakis wusste, hatte sich der Erzbischof seit dem Tag der Beisetzung von Charalambous Mouskos mit den Briten auf Kollisionskurs
     befunden. Charalambous war nicht nur Makarios’ Cousin, sondern auch Mitglied der EOKA gewesen und bei einer Schießerei mit
     den Briten im Troodos-Gebirge ums Leben gekommen. Den Trauergottesdienst hatte Makarios selbst abgehalten, und aus Angst vor
     Ausschreitungen hatten die Briten ihre Soldaten rund um die Kirche postiert. Als sich die Trauergemeinde am Ende der
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