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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm
Autoren: Andreas Saumweber
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würde. Er war ohnehin schon mehr als angekratzt, hatte einen Mord auf dem Gewissen und noch ein paar Leichen mehr. Würde er das hier überstehen? Würde
sie
das hier überstehen? Sie hasste sich ohnehin schon. Was würde aus ihrem Selbsthass, wenn das hier vorüber war? Konnte sie danach überhaupt noch weiterleben?
    Als sie langsam in die Knie ging, fasste sie den Entschluss.
    Sie wollte so nicht weiterleben.
    Sie würde sich wehren.
    Was auch immer danach mit ihr passierte.
    Vielleicht würden sie sie umbringen. Vielleicht würden sie sie so lange … so lange … so lange, bis sie tot war? Sie würden sie schlagen, das auf alle Fälle, bis sie nicht mehr wiederzuerkennen war. Und dann?
    Veronika stellte fest, dass es ihr plötzlich egal war. Sie hatte abgeschlossen. Noch immer rannen ihr Tränen über die Wangen, doch nun waren es Tränen des Mitleids. Sie hatte Mitleid mit dem Mädchen, das sie gerne gewesen wäre und nie hatte sein können. Doch als sie nach dem harten Schwanz des Jungen griff, war sie bereits nicht mehr das Opfer. Sie war bereit zum Angriff. Kostete es, was es wollte.
    Sie rückte ganz nah an seinen Körper. Der Junge legte seine Hände auf ihre Schultern. »Nimm ihn in den Mund!«, flüsterte er. Es kostete eine kurze Überwindung, zu tun, was sie tun musste. Sie begann bei seinen Eiern. Seine Haut schmeckte salzig auf ihrer Zunge, seine Schamhaare in ihrem Mund waren so ekelhaft, dass sie würgen musste. Sie spürte einen seiner Hoden, spürte ein Zittern durch seinen Körper laufen. Sie schob ihn mit der Zunge zwischen ihre Zähne.
    Dann biss sie zu, mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte.
    Der Hoden platzte mit einem fleischigen Geräusch, dann krachten ihre Zähne mit einem harten Klacken aufeinander. Plötzlich hatte sie den Mund voller Blut. Das Kreischen des Jungen war fürchterlich.
    Sie kam hoch, riss den Schlagstock aus seinem Gürtel, wirbelte herum. In einer Welle aus Adrenalin kehrte ihr Kampfsinn zurück, an den sie schon nicht mehr geglaubt hatte, plötzlich
spürte
sie die Hände der beiden Männer hinter ihr zupacken, noch bevor sie sie berührt hatten. Sie wich ihnen aus, legte den ganzen Schwung der Drehung in einen Rückhandschlag mit dem Stock, traf den Fleischer mitten im Gesicht. Sie hörte Knochen krachen und Zähne splittern, er stieß einen ganz kurzen Schrei aus und ging hart zu Boden. Der Familienvater, vier Meter entfernt, fummelte an den Verschlüssen seines Pistolenholsters, und Veronika
wusste
plötzlich, dass der Holster des Thomas ungesichert war. Im nächsten Moment hatte sie seine Pistole in der Hand, richtete sie im beidhändigen Anschlag auf den Vater, drückte ab. BAMMM donnerte der Schuss in dem kleinen Raum, und noch einmal,BAMMM, und noch einmal, BAMMM, der Mann stürzte zu Boden, während rote Blumen auf seinem Uniformhemd knospten, BAMMM, dann lag er, und Veronika musste auf ihn zugehen, um weiter auf seine Brust zielen zu können, BAMMM, BAMMM,
    BAMMM,
Klick
.
    Abrupte Stille setzte ein.
    Es war vorbei.
    Der Schlitten der Pistole war zurückgefahren, das Magazin leer. Von der Mündung stieg eine dünne Rauchfahne auf. Eine Patronenhülse rollte mit metallischem Geräusch über den Boden. Eine zerbrochene Fliese fiel von der Wand. Die Blutlache unter dem Familienvater wurde rasch und lautlos größer. Der Junge saß zusammengekrümmt in einer Ecke und wimmerte leise. Der Fleischer lag regungslos unter der rauschenden Dusche. Sein Blut vermischte sich mit dem Wasser und lief als fleischige Brühe in den Abfluss. Der Thomas stand mitten im Raum, zur Salzsäule erstarrt, seitdem sie seine Pistole gezogen hatte. Selbst jetzt, wo ihr Magazin leergeschossen war, wagte er nicht, sich zu rühren. Ihr Kampfsinn sah in ihm schon lange keine Bedrohung mehr, er war ein Mann der großen Worte und der kleinen Taten.
    Veronika ging neben der Leiche des Familienvaters in die Knie und nahm die Pistole aus seiner Hand. Sie nahm auch die Handschellen von seinem Gürtel und die Schlüssel aus seiner Tasche. Dann erst wandte sie sich wieder zu dem Thomas, der sie anstarrte wie einen Dämon aus der Hölle.
    »Deine Klamotten«, stieß Veronika aus.
     
    Die Schüsse waren gehört worden. Sirenen schrillten, Hundegebell hallte durch die Gänge, Wächterinnen schrien mit sich überschlagenden Stimmen Kommandos. Unter normalen Umständen hätte sich Veronika darüber gefreut, dass sie nicht die einzige Frau war, die ihre Stimme in solchen Situationen nicht ganz unter
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