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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse
Autoren: Tanja Heitmann
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durch die ich dafür bestraft wurde, nicht mit Nikolai gestorben zu sein. Aber jetzt, da Daniel neben mir stand, offenbar unschlüssig, ob er bleiben oder besser gehen sollte, ließ ich den Gedanken zu, dass ich wahrhaftig meine Vergangenheit verloren hatte. Meine menschliche Vergangenheit. Mein ganzes Sein war von Nikolai abhängig gewesen, es hatte in dem Moment begonnen, als er mich als seine Gefährtin neben sich angenommen hatte. Alles, was davor lag, war … ja, was eigentlich? Unwiederbringlich verloren? Oder wartete es irgendwo darauf, von mir gefunden zu werden?
    Ich zerpflückte das Omelette, als könnte ich eine Antwort in ihm finden, aber leider roch es lediglich lecker. Das fand auch die Katze, die hoffnungsvoll darauf wartete, dass etwas für sie abfiel. »Habe ich dieses Gericht früher gern gegessen?« Vor lauter Aufregung pochte es in meinen Schläfen.
    Daniel strich sich über seinen grauen Bart. »Auf mein Omelette hast du dich immer wie eine Verhungerte gestürzt, aber Dinge ändern sich manchmal. Lass es einfach stehen, wenn es nicht nach deinem Geschmack ist.«
    »Das möchte ich aber gar nicht.« Tapfer fing ich an, es mir in den Mund zu schaufeln, aber meine Kehle war wie zugeschnürt. Anstatt zu schlucken, begann ich zu schluchzen.
    »Mila«, sagte Daniel sanft, während er sich neben mich kniete. »Ich kann nicht in dich hineinsehen, niemand von uns kann das. Du hast Dinge erlebt, die ich vermutlich nicht einmal begreifen würde, wenn du sie mir bis ins Detail erzähltest, aber darauf kommt es auch nicht an. Trotz allem, was geschehen ist, bist du nämlich immer noch Mila, daran hat sich nichts geändert, das spüren deine Mutter und ich. Mag sein, dass die Erinnerung wiederkommt, vielleicht bleibt sie auch vor dir verborgen. Du bist jetzt hier, und du hast eine Zukunft vor dir, das ist alles, was zählt. Die Welt verändert sich ohnehin, das, was in der Sphäre passiert ist, lässt sich nicht mehr verheimlichen. Und du wirst deinen Platz in dieser neuen Welt finden, darauf kannst du vertrauen. Du bist ein starkes Mädchen.«
    Obwohl mir weiterhin elend zumute war, nickte ich. »Ich schaffe das, versprochen.«
    »Fein.« Daniel lächelte breit, wobei sich tiefe Linien um seine Augen abzeichneten. »Jetzt futterst du aber erst einmal dieses mit Liebe Gekochte auf, bevor es ganz kalt wird oder Pingpong es zu ihrem Besitz erklärt. Du bist ja nur noch Haut und Knochen. Ihr Levander-Frauen verwandelt euch in Vöglein, wenn ihr leidet. Damit muss jetzt Schluss sein.«
    Ich hatte zwar den Mund voll, lachte aber trotzdem. Es war alles eine einzige Katastrophe und zugleich war alles wunderbar.
    ∞∞
    Ein neuer Tag brach an mit Regen und Wind, der gegen die Fensterscheibe pochte. Es klang wie Fingerknöchel auf Glas, nach jemandem, der anklopfte, um eingelassen zu werden. Das hatte ich doch schon einmal gehört …
    Ich setzte mich auf und blickte in die graue Morgendämmerung.
    Draußen war nichts und niemand, trotzdem verharrte ich so lange, bis meine untergeschlagenen Beine einzuschlafen drohten. Von einer unerklärlichen Sehnsucht heimgesucht, griff ich nach meinen zu einem Zopf geflochtenen Haaren und spielte mit dem Zipfel herum. Mein Zimmer wirkte im Zwielicht klein, beinahe erdrückend. Nur ein paar Schritte entfernt war die Tür, die auf den Flur hinausführte. In eine Welt, die ich noch nicht erforscht hatte. Was konnte dort schon sein, in diesem von Menschen geschaffenen Haus? Trotzdem zögerte ich. Niemand hatte es ausgesprochen, doch wir alle wussten, dass dieses Zimmer ein Schutzraum war. Hier gab es keine Forderungen, kein Drängen, nur liebevolle Fürsorge. In dem Moment, in dem ich es verließ, müsste ich anfangen, auf eigenen Füßen zu stehen. Konnte ich sicher sein, dass ich dafür schon stark genug war, nur weil sich diese unbestimmte Sehnsucht in mir auftat? Dort draußen, raunte mir eine innere Stimme zu, wartet jemand auf dich, der mehr als nur Antworten zu bieten hat. Willst du ihn denn nicht wiedersehen?
    Ihn. Ich hatte ihn wiedergesehen in meinen Träumen, verschlungen vom aufgepeitschten Meer, so tief unter Wasser, dass ich niemals zu ihm durchdringen würde. Er war und blieb ein Fremder, auch wenn ich allmählich begriff, dass er das nicht war. Der Bernsteinring, den Asami mich hatte berühren lassen, hatte es mir gezeigt: Solche Empfindungen konnte kein Fremder in einem hervorrufen. Aber was nützte diese Erkenntnis, ich bekam ihn nicht zu fassen, diesen Samuel.
    Das
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