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Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit

Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit

Titel: Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
Autoren: Anna Winter
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Käfer, der hier nicht hingehört.
    „Dabei helfe ich dir, wo ich kann“, flüstert sie. Dann nickt sie und strafft sich. „Ja, in der Tat. Das tue ich. Wir geben heute Abend einen Empfang. Ich will, dass du dabei bist.“
    Meine Augen werden groß. „Wirklich, Tante?“
    „Ja. Du wirst die Getränke und Häppchen servieren, ein elegantes schwarzes Kleid dabei tragen, deine dunkle Mähne zu einer ordentlichen Frisur bändigen und so viel Etikette wie möglich an den Tag legen.“
    Inwiefern tut sie damit etwas für mich?
    „Runzle nicht so die Stirn, Elise. Davon bekommst du Falten und ich zahle gewiss kein Botox für dich. Aber wenn du faltig aussiehst, wird dich keiner mehr wollen.“
    „ Wer denn wollen?“, frage ich irritiert.
    „ Jemand.“ Sie lächelt zuckersüß. „Punkt acht, verstanden?“
    Ich verstehe nur, dass sie mich loswerden will. Ich weiß nur nicht, an wen.
    Mein innerer Jubel darüber, die Häppchen servieren zu dürfen, fällt gnomenhaft klein aus. Tylandora wird Gäste ihrer Verlags- und Medienwelt um sich scharen und Kontakte knüpfen. Ich weiß, dass sie sehr ambitioniert ist. Während sie lächeln und Komplimente verteilen wird wie Konfetti an Karneval, wird sie mich nicht beachten, als wären wir nicht verwandt. Als wäre ich nur ein Dienstbote.
    Wenn ich es genau bedenke, bin ich das wohl deutlich mehr für sie als ihre Nichte. Weihnachtsgeschenke – Fehlanzeige. Geburtstagsgeschenke. Na, über diesen genetischen Fauxpas schweigen wir lieber – Fehlanzeige. Gemeinsame Festessen bei meiner Familie am Tisch – Fehlanzeige. Aber ich habe natürlich ihre Gläser füllen und servieren dürfen.
    Meine Eltern haben einen Autounfall nicht überlebt, als ich fünf war. Sie waren die einzigen, die darüber hinweg gesehen haben, dass ich defekt bin.
    Ich laufe in mein Zimmer, drücke die Tür zu und zwänge mich aus meinen Kleiderlagen. Ganz vorsichtig. Bestimmte Bewegungen tun weh. Ich gehe zu meinem Waschbecken und lasse kaltes Wasser über den Daumen laufen. Er wird ein paar Tage blau sein und ich sollte ihn nicht überstrapazieren, aber es wird gehen.
    Ich drehe meinen Kopf vor dem Spiegel und schiebe die Haare beiseite, um zu sehen, ob ich die Beule finde. Eine Schwellung ist da, aber ich kann sie mit Haaren verdecken und auch sie wird bald fort sein.
    Anschließend ziehe ich meinen Pulli aus der Hose und schiebe ihn hoch. Die Hämatome an meinem Rücken würden wunderbar für eine Halloween-Kostümierung funktionieren. Ich sehe die Hinterlassenschaften von jedem seiner Finger. Vorsichtig reibe ich darüber. Die Stellen sind hart und druckempfindlich und die Flecken so lila, als hätte sie ein Pferd dorthin getreten. Zum Glück brauche ich für den Empfang kein rückenfreies Kleid zu tragen.
    Ich streife meinen Pulli wieder runter und kämme mein Haar. Bei der Beule muss ich aufpassen. Da Tylandora es nicht mag, wenn ihr Personal beim Servieren offene Haare trägt, binde ich sie mir zu einem langen Zopf zusammen.
    Ich nage an meiner Unterlippe und überlege, welches Make-up ich auftragen soll. Dezent, aber gepflegt erscheint passend. Also pudere ich meine blasse Haut ab, verwende etwas Kajal an den braunen Augen und einen Hauch Lippenstift. Ich bin nicht der Mittelpunkt des Abends und meine Tante würde es mir übel nehmen, wenn ich danach aussehe. Kein Glitzer, keine Pailletten, kein Schmuck, flache Schuhe. Tylandora sagt, es stehe mir nicht zu, mich größer zu machen, als ich bin. Ich stelle mir die schwarzen Ballerinas heraus und putze sie gründlich ab bis sie glänzen.
    Dann wähle ich eines meiner drei Dienstbotenkleider aus. Jedes ist schwarz, aber für unterschiedliche Anlässe gemacht. Der heutige Abend verlangt nach der eleganten Variante. Ein Kleid im Stil von Audrey Hepburn, einer Frau, die das Glück hatte, vor der Seuche zu leben. Es ist ärmellos und bis zur Taille eng. Unterhalb des Gürtels schwingt es auseinander, luftig und bis zu den Knien.
    Ich stelle mir gern vor, dass es bis zum Boden reicht und Spitzenpartien im Rücken hat, dass ich lange Handschuhe dazu trage und ein funkelndes Collier. Ich hätte eine Hochsteckfrisur und aufregend geschminkte Augen. Ich würde aus Champagnerflöten trinken und lächeln, während ich ein Gespräch mit einem angesehenen Mann führe, der mich offen bewundert.
    Ja sicher, und der Weihnachtsmann ist eigentlich ein Transvestit.
    Mein Kleid ist nicht aus Seide oder Chiffon, nichts an mir funkelt und niemand wird sich für mich
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