Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit

Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit

Titel: Schattenherz - Fesseln der Dunkelheit
Autoren: Anna Winter
Vom Netzwerk:
verstanden.“
    „Und?“
    „ Und ich werde mich betragen. Ich werde gleich bei der Arbeit sein und alles sehr gut machen.“
    „ Merk dir das, oder du merkst etwas anderes. Glaube nicht, dass ich spaße. Mein Geduldsfaden ist in den letzten Jahren ausgeleiert.“
    „ Ja, Tante. Tut mir leid.“
    „ Dir wird es noch leidtun.“ Mit diesen Worten kappt sie die Verbindung.
    Ich gehe die letzten Meter zur Arbeit. Die Tylandor Group gehört meiner Familie. Es ist ein prunkvoller Firmensitz aus teurem Stein, großen Fassaden und dem unverblümten Statement von Status und Geld. Hier werden Schlagzeilen gemacht. Bisher gehören meiner Tante die »Midnight Tribune«, eine auflagestarke Zeitung, sowie ein großer Rundfunksender. »Hier ist Radio Insomnia auf 104,6 – die Pulsfrequenz des Nordens«. Aber meine Tante hat wortwörtlich Biss und Ehrgeiz. Ihr Wunsch nach einer Sendeplattform im Fernsehen ist ein offenes Geheimnis.
    Ich habe eine Tätigkeit im Gebäude zugeteilt bekommen. Wie alle Menschen, darf ich nur niedere Tätigkeiten verrichten, bin von Universitäten ausgeschlossen und kann nicht mehr verdienen als den halben Satz des am schlechtesten bezahlten Vampirs derselben Firma. Was Edwynturo ist, ein buckliger Portier im hohen Alter. Er grüßt mich, als ich hereinkomme.
    „Elise, du bist zu spät. Ich habe deine Herrin angerufen und dein Fehlen wird vom Lohn abgezogen.“
    „ Natürlich Edwynturo.“
    Er blickt mir mit hochgezogener Augenbraue nach. Missmutig gehe ich zu meinem Spind und wechsele in meine Arbeitskleidung. Gelbes Hemd, gelbe Hose, blaue Schuhe und eine Firmenkappe. Mein Putzwagen macht klackende Geräusche auf dem Marmorboden, als ich ihn vor mich her schiebe.
    Ich nehme den Personalaufzug und fahre in meine zugewiesene Etage. Über den Bürotüren leuchten die roten Lämpchen, die anzeigen, dass die Räume noch nicht gemacht sind. Ich verschaffe mir zu einem nach dem anderen Zutritt mit meiner Personalkarte, die auflistet, wann ich wo hineingehe und wie lange ich verweile. Jeder meiner Schritte wird kontrolliert.
    Die meiste Zeit benötige ich für das Büro von Tylandoras Finanzbuchhalter. Wer sich unter so jemandem einen akkuraten Vampir vorstellt, der Ordnung hält und mit einem Lineal die Gegenstände auf seinem Tisch platziert, hegt ähnlich romantische Vorstellungen von Sauberkeit bei Brillenschlangen wie ich.
    Doch Arturo ist ein echter Brechreiz. Es kleben überall Trinkreste auf seiner Resopalplatte und dem Steinboden. Die Hälfte des Mülls liegt neben seinem Eimer, da er ihn in die hinterste Ecke seines Büros gestellt hat, um offensichtlich vergeblich Freiwürfe damit zu üben. Der Boden knirscht von Krümeln, die einmal Teil seines Essens waren. Beim Reingehen trete ich in einen ausgespuckten Kaugummi. Ich schließe die Augen, lege den Kopf in den Nacken und atme tief durch.
    „ Du musst aber richtig gut in deinem Job sein, du kleines Schwein, wenn Tylandora dich noch nicht gefeuert hat“, murmele ich und mache mir die Schuhsohle sauber. Es muffelt abgestanden, als ob er nie lüftet. Schweiß, Essensdüfte und vermutlich Körpergase.
    Ich mache die Fenster auf und putze die Kammer des Ekels. Die kühle Eleganz der Räume aus Blau und Grau ist bei ihm völlig misshandelt. Offensichtlich scheint meine Tante nicht zu finden, dass dieser Saustall negativ auf sie zurückfällt. Aber welches Urteil erlaube ich mir? Arturo ist wenigstens ein Vampir.
    Neben einem klebrigen Kaffeebecher steht eine gammlige Pflanze, unter deren Topf sich eine braune Flüssigkeit gesammelt hat. Ich gehe etwas dichter ran und schnuppere vorsichtig. Dann ziehe ich die Augenbrauen hoch. Ein erdiger Kaffeeduft geht von der Pfütze aus. Leicht säuerlich.
    Ich muss nicht Sherlock Holmes sein, um zu kombinieren, dass er seinen Kaffee in den Blumentopf geleert hat. Unglücklicherweise scheint er ihn mit einem Schuss Milch zu trinken und die Zeit würde diesem Duft nicht bekommen. Statt aufzuräumen, würde ich lieber einen toten Fisch in sein Lüftungsgitter legen und frage mich, was es braucht, damit dieser Mann anfängt, sich zu ekeln.
    Ich schüttele mich angewidert und wische so gut es geht sauber. Ich lobe mir meine gelben Gummihandschuhe, die mich keinen physischen Kontakt mit diesem Dreck haben lassen.
    Als ich die Papierknollen in der Ecke aufhebe und in den Müll stopfe, fällt mir ein Fetzen mit der Aufschrift „vertrau“ in die Hände. Der Rest des Wortes ist abgerissen, doch es liegt auf der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher