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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold
Autoren: Dieter Buehrig
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Adrenalinopoly… – oder wie der auch immer heißen möge –, sollte das nicht auch ein Ausländer sein, der perfekt deutsch spricht? Auch die vornehme Kleidung würde zu ihm passen. Aber der ist doch Südamerikaner, wenn ich mich recht entsinne. Oder ist er das nicht? Das wäre zu überprüfen. Der redete sehr gebildet, dem würde ich Kenntnisse der madagassischen Sprache zutrauen. – Aber ein angesehener Goldschmied als Dieb seiner eigenen Sachen? Versicherungsbetrug schließe ich aus, schließlich waren die Gegenstände nicht mehr in seinem Laden. Welches Motiv sollte so einer haben?
    Kroll kramte sich eine seiner schiefen Zigaretten aus der Tasche und steckte sie in den Mundwinkel. Dann holte er sein Feuerzeug hervor. In Gedanken versunken spielte er damit. – Und siehe da: Heute funktionierte es. Instinktiv zündete er sich den Stummel an und genoss ein paar tiefe Züge. Ihm war überhaupt nicht bewusst, dass er das erste Mal seit langer Zeit wieder richtig rauchte, so sehr war er in seine Überlegungen vertieft: Ich werde bei nächster Gelegenheit der Goldschmiede selbst einen Besuch abstatten. – Dass ich nicht schon früher auf diesen Gedanken gekommen bin!

     

     

Kapitel 25: Duett

    Ein langer, kalter Winter hatte sich über die Stadt gelegt und brachte das Leben fast zum Erliegen. Die Jungen konnten auf den eisglatten Straßen nicht mehr Fußball spielen, die Mütter saßen der Kälte wegen nicht mehr auf den Parkbänken am Stadtgraben, die Schüler der Oberschule vergnügten sich auf dem Turnhof mit verbotenem Schneeballwerfen und die Ratsherren tauschten bei ihren Sitzungen den Bierkrug mit dem Punschglas aus.
    Aina traf sich nun regelmäßig mit Raik. Dessen Segelboot ruhte schon lange im Winterlager. Sie hatten Zeit zum gemeinsamen Musizieren. Leider ist die Literatur für Gesang und Cello nicht sonderlich ergiebig, und so waren sie gezwungen, auf unbekannte und moderne Stücke zurückzugreifen: Ruth Zechlin – Variationen zu Michelangelo, Dieter Schnebel – Mit diesen Händen, Ross Edwards – Maninya. Das brachte frischen Wind an die Musikhochschule, und die Professoren begannen, die beiden überregional weiterzuempfehlen. Als Spezialisten für Neue Musik knüpfte das Duo internationale Verbindungen.
    Eines Tages überreichte Raik seiner Freundin eine Einladung von Frau Ampoinimera. Aina möge am übernächsten Tag zu ihr abends nach Hause kommen. Sie wolle als Vorbereitung auf die Abschlussprüfung ein paar Lieder von Hugo Wolf mit ihr musizieren.
    Die junge Sängerin freute sich, denn sie liebte diese Musik. Und sie mochte auch Frau Ampoinimera sehr. Sie fühlte sich auf geheimnisvolle Weise zu der intelligenten und kunsterfahrenen Klavierlehrerin hingezogen. Außerdem faszinierte sie deren äußere Erscheinung, die ganz anders war als die ihrer Mutter.
    An diesem Abend fiel der erste Schnee des Jahres. Man konnte auf weiße Weihnachten hoffen. Wie feine Sternschnuppen taumelten die dünnen Schneeflocken auf die Köpfe der Menschen. Es war, als würden sie mittels feiner Fäden von einem unsichtbaren Marionettenspieler gelenkt.
    Aina schlenderte über den Weihnachtsmarkt, der sich über den ganzen Bereich rund um den Ratshausplatz und die angrenzenden Hauptgeschäftsstraßen erstreckte. Weil sie noch genug Zeit bis zu ihrer Verabredung hatte, ließ sie sich von der Menschenmenge treiben.
    Die vorweihnachtliche Stimmung hatte viele Lübecker aus ihren Häusern gelockt. Junge Paare schmiegten sich eng an eng, um sich in dem Geschiebe nicht zu verlieren. Kinder starrten mit großen Augen und offenen Mündern auf die verlockenden Angebote der Zuckerbäcker. Die sich sonst so distanziert gebenden Erwachsenen zwinkerten sich gegenseitig zu, als würde die riesige Menschenmenge nur aus Bekannten bestehen.
    Bude stand dicht an Bude. Die meisten boten Getränke und Imbisse an. Auch gab es viele Schmuck- und Holzspielzeugartikel. Natürlich durften die Händler mit ihren Weihnachtssternen, Nikolausmützen und Kitschengeln nicht fehlen.
    In der Mitte des Marktplatzes drehte sich ein altes Kinderkarussell. Die Weihnachtsmusik aus dem Lautsprecher übertönte das Quietschen der ins Alter gekommenen Rollen und Gelenke. Ein paar Kleinkinder winkten glücklich ihren Müttern zu.
    Auf dem kleinen Platz zwischen der Rathausrückwand und dem Eingang zur Marienkirche zog eine kleine Bühne die Neugier der Passanten an. Mittelalterlich verkleidete Studenten der Musikhochschule spielten mit weihnachtlicher
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