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Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter

Titel: Schattenbluete - Band 2 - Die Waechter
Autoren: Nora Melling
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drauf ankommt, sagst du immer die Wahrheit, egal, was es kostet.»
    «Und du hast gelogen?»
    «Natürlich, was denkst du denn?»
    «Wieso musstest du denn überhaupt lügen? Wir haben beide die Leiche gefunden. Ende. Sonst ist da nichts.»
    «Und wir kennen die Mörder. Und decken sie.»
    «Doch nur, weil man uns das mit den Werwölfen sowieso nicht glauben würde!»
    «Ja, natürlich.» Thursen gähnt.
    «Warum rufst du mich erst jetzt an? Du warst doch nicht bis eben auf der Polizeistation?»
    «Ich habe – geschlafen.»
    «Na klar!» Ich kann an seiner Stimme auch ablesen, wann er die Wahrheit sagt. «Thursen?»
    «Wann fängst du endlich an, mich Lars zu nennen? Irgendwann musst du dich doch sowieso daran gewöhnen!» Ich höre ihn atmen. Dann sagt er: «Ich hab Zeit zum Nachdenken gebraucht.»
    «Worüber?»
    «Nicht, Luisa!»
    Ich setze mich auf und gehe ans Fenster. «Und wie geht es weiter? Was unternehmen wir?»
    Meine Hände zittern, jetzt, wo die Erinnerung wieder so nah ist. Ich will mir durch die Haare streichen, verheddere mich und zerre die Hand aus meinen Haaren, dass es ziept.
    «Luisa, es gibt nichts, was wir tun könnten.»
    «Da lag ein toter Mensch, den haben die Wölfe gejagt wie ein Tier! Wer ist als Nächstes dran? Stell dir vor, deine Schwester stirbt so!»
    «Und wie kommst du drauf, ich könnte etwas dagegen unternehmen?»
    «Du warst immerhin der Leitwolf.» Ich bin inzwischen im Bad, nehme meine Bürste vom Bord vor dem Spiegel. Halte sie viel zu fest und bürste mir meine schlafverwickelten Haare.
    «Ja. Und jetzt bin ich Mensch, nichts weiter.» Seine Stimme wird weicher. «Luisa! Ich streiche die Küche, und mir trocknet die Farbe ein, wenn ich noch lange rede.»
    «Wie kannst du jetzt die Küche streichen?»
    «Weil es so verdammt nötig ist! Niemand hat seit dem Tod meiner Mutter irgendwas verändert! Würdest du so leben wollen? Man fühlt sich wie in Folie eingeschweißt und erstickt langsam.»
    «Was sagt deine Schwester dazu?»
    «Agnetha freut sich, dass sie sich nicht mit unserem Vater anlegen musste. Mir verzeiht er zurzeit alles. Er freut sich, dass ich überhaupt wieder da bin.»
    Fast schäme ich mich, als ich mich an unser Versprechen erinnere. Wir wollten in diesem Jahr ein normales Leben führen. Thursen arbeitet mit aller Kraft daran, und ich hatte es beinahe vergessen. «Thursen?»
    «Hmm?»
    «Ich vermisse dich!»
    Ich kenne ihn inzwischen so gut, dass ich hören kann, wie er lächelt. «Ich vermiss dich auch. Jeden Moment, den du nicht da bist.» Was ist das in seiner Stimme, dass ich davon sogar am Telefon Herzklopfen bekomme? Ich frage mich, wie viel Mut es Lars – der Name schmeckt immer noch fremd – kostet, die alten, verblichenen Zimmerfarben, die letzten, die seine Mutter ausgesucht hat, endgültig überzustreichen. Zu wissen, dass er sie nie mehr ansehen kann.
    Als ich aus dem Bad komme, höre ich im Wohnzimmer den Fernseher laufen.
    «Luisa?»
    Meine Mutter sitzt im Schlafanzug und Bademantel auf dem Sofa. Sie zieht an ihrer Zigarette, dass die Spitze hellrot aufglüht.
    «Frohes neues Jahr», sagt sie, und zusammen mit ihren Worten kringeln sich blaue Schlieren aus ihrem Mund.
    Ich hasse es, dass sie wieder raucht. Kurz nachdem mein Vater ins Hotel gezogen ist, hat sie wieder angefangen. Seitdem steht Tag für Tag ihr Aschenbecher auf dem Couchtisch. «Dir auch!», sage ich, schiebe eine Topfpflanze zur Seite und öffne das Fenster.
    «Meine Güte, ist das kalt!» Meine Mutter zieht mit der freien Hand ihren Bademantel fester um sich. «Wo hast du eigentlich noch mal gefeiert?»
    «Am Tegeler See, das habe ich dir doch erzählt! Da feiern eine Menge Leute Silvester!»
    Sie schnippt die Asche von der Zigarette. «Aber du warst doch hoffentlich nicht im Wald, oder?»
    «Wieso?» Im Fernsehen läuft ein Werbespot für Kinderschokolade. Die Mutter liegt entspannt am Kamin, nascht, bis ihre zwei Kinder fröhlich lachend auf sie zustürmen und ihren Anteil fordern.
    «Luisa, sag mir einfach, ob du im Wald warst oder nicht!»
    Ich atme noch einmal frische Luft und schließe dann das Fenster. Es ist wirklich kalt draußen. «Ja, war ich. Der See liegt doch direkt am Wald!»
    «Sie haben es gerade in den Nachrichten gebracht. Einem von den vielen Leuten, die dort gefeiert haben, hat man den Kopf eingeschlagen. Der war kaum älter als du! Das hättest du sein können!»
    «Ich bin vorsichtig! Ich kann doch nicht wissen, dass da im Wald ein Verrückter
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