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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf
Autoren: Andreas Föhr
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wissen.
    »Ich glaub, die kommt aus München und hat eine neue Kamera dabei.«
    Wallner sah Janette verständnislos an. »Mehr weiß ich auch nicht. Die macht heute das Video.«
    Wallner begab sich – immer noch leicht schwindlig im Kopf – zu Mike und der Frau. Warum heute jemand aus München das Tatortvideo drehte, war ihm ein Rätsel. Als Wallner bis auf ein paar Meter an Mike und die Frau herangekommen war, bemerkte ihn Mike.
    »Kommst ja doch noch. Mir ham schon befürchtet, das bist du da oben. Aber nachdem der keine Daunenjacke angehabt hat, waren wir dann doch beruhigt.« Mike Hanke deutete zum Riederstein hoch und grinste Wallner aus dunkel geränderten Augen an. Oben bei der Kapelle bewegte sich etwas. Wallner konnte Lutz und Tina erahnen, nicht aber die Leiche sehen, denn die lag immer noch auf dem Boden. Deutlich sichtbar waren hingegen die trichterförmig angeordneten Blutspritzer an der Kapellenrückwand.
    Mike stellte Wallner die Frau vor. Sie hieß Vera Kampleitner und arbeitete beim LKA . Mike hatte sie auf einer Fortbildungsveranstaltung kennengelernt und dabei erfahren, dass sie von den Herstellerfirmen mit den neuesten Kameramodellen versorgt wurde und darauf aus war, ihre Kameras unter verschiedensten Bedingungen zu testen. Sie hatte Mike gebeten, ihr Bescheid zu sagen, wenn sich ein interessanter Fall ergebe. Mike hatte sie, gleich nachdem er selbst zum Tatort gerufen worden war, angerufen und ihr den Sachverhalt geschildert. Da Vera Kampleitner schon lange auf eine Gelegenheit gewartet hatte, die Einsatzmöglichkeiten eines neuen Teleobjektivs zu testen, hatte sie sich in ihren Wagen gesetzt und war an den Tegernsee gefahren.
    Wallner musterte die Frau. Sie hatte sehr lockiges, langes, kastanienbraunes Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war. Sie trug eine rechteckige Hornbrille, an deren Bügeln das Dolce & Gabana-Logo angebracht war. Das Gesicht war länglich mit einem energischen Kinn, die Oberlippe dünn, die Unterlippe etwas kräftiger, darüber eine gebogene Nase, nicht hässlich, im Zusammenspiel mit Kinn und dünner Oberlippe vielmehr energisch. Ihre Augenbrauen hatte Vera Kampleitner nicht, wie viele Frauen, zu einem dünnen Strich auszupfen lassen. Sie waren gepflegt, aber mit Bedacht ein wenig kräftiger belassen, was nicht grob wirkte, sondern natürlich und – wiederum energisch. Die Frau legte offenkundig Wert auf eine dynamische Erscheinung. Dieser entschlossene Gesamteindruck wurde etwas abgemildert durch ein Paar abstehende Ohren, die, so vermutete Wallner, unter den dunklen Locken verschwanden, wenn Vera Kampleitner die Haare offen trug. Während er Vera Kampleitner taxierte, bemerkte er, dass sie das Gleiche mit ihm tat. Ein kurzer Blick auf sein Gesicht, dann glitten die Augen nach unten. Daunenjacke, quittiert mit einem Zucken der linken Augenbraue. Noch weiter unten Jeans und Bergschuhe, uninteressant. Die Augen wanderten wieder nach oben. In Vera Kampleitners Haltung und Gestik meinte Wallner Abwehr zu spüren, immer auf einen Angriff gefasst. Im Augenblick konnte eigentlich nur Wallner das Ziel dieser Kautelen sein. Er spürte, dass Ärger in der Luft lag.
    »Wo ist eigentlich die Irene?«, fragte er Mike und wandte sich dann an Vera Kampleitner. »Irene Scholz ist die Mitarbeiterin, die bei uns das Tatortvideo macht.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Vera Kampleitner. »Die Dame macht sich bei der Spurensicherung nützlich. Ich habe ihr gesagt, dass ich das mit dem Video heute übernehme.«
    Wallner hatte schon so etwas geahnt. Er blickte zu Mike. Mike machte eine Geste, die in etwa »ist ja nicht so wild« besagen sollte. Wallner war anderer Ansicht. Er blickte, bemüht um größtmögliche Ruhe, Vera Kampleitner ins Gesicht. »Sie haben Frau Scholz gesagt, dass sie kein Video machen muss?«
    »Ich bin davon ausgegangen, dass das in Ihrem Sinn ist. Ich meine, wir müssen hier nicht zu zweit mit der Kamera rumlaufen. Und Frau Scholz kann an anderer Stelle nützlich sein.«
    »Oh, bestimmt. Es ist nur so, dass normalerweise
ich
meinen Mitarbeitern sage, was sie tun sollen und was nicht. Frau Scholz macht übrigens sehr gute Videos.«
    »Bei wie vielen Morden hat Frau Scholz schon gearbeitet?«
    »Bei fünf. Warum?«
    »Ich habe über sechzig Tatorte gefilmt, an denen Kapitalverbrechen begangen wurden. Sie können sich darauf verlassen, dass Sie heute keine schlechtere Arbeit bekommen als sonst.« Sie zögerte, schien zu überlegen, ob sie das nachschicken
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