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Schach von Wuthenow

Schach von Wuthenow

Titel: Schach von Wuthenow
Autoren: Theodor Fontane
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Umgehung der »Allerhöchsten Herrschaften«. Ihre Mitteilungen aus der Adelssphäre waren ihren Hofanekdoten in der Regel weit vorzuziehn und hätten ein für allemal passieren können, wenn sie nicht die Schwäche gehabt hätte, die doch immerhin wichtige Personalfrage mit einer äußersten Geringschätzung zu behandeln. Mit andern Worten, sie verwechselte beständig die Namen, und wenn sie von einer Eskapade der Baronin Stieglitz erzählte, so durfte man sicher sein, daß sie die Gräfin Taube gemeint hatte. Solche Neuigkeiten eröffneten denn auch das heutige Gespräch, Neuigkeiten, unter denen
die
, »daß der Rittmeister von Schenk vom Regiment Garde du Corps der Prinzessin von Croy eine Serenade gebracht habe«, die weitaus wichtigste war, ganz besonders, als sich nach einigem Hin- und Herfragen herausstellte, daß der Rittmeister von Schenk in den Rittmeister von Schach, das Regiment Garde du Corps in das Regiment Gensdarmes und die Prinzessin von Croy in die Prinzessin von Carolath zu transponieren sei. Solche Richtigstellungen wurden von seiten der Tante jedesmal ohne jede Spur von Verlegenheit entgegengenommen, und solche Verlegenheit kam ihr denn auch
heute
nicht, als ihr, zum Schluß ihrer Geschichte, mitgeteilt wurde, daß der Rittmeister von Schenk alias Schach noch im Laufe dieses Nachmittags erwartet werde, da man eine Fahrt über Land mit ihm verabredet habe. Vollkommener Kavalier, wie er sei, werd er sich sicherlich freuen, eine liebe Verwandte des Hauses an dieser Ausfahrt mit teilnehmen zu sehen. Eine Bemerkung, die von Tante Marguerite sehr wohlwollend aufgenommen und von einem unwillkürlichen Zupfen an ihrem Taftkleide begleitet wurde.
    Um Punkt drei war man zu Tische gegangen, und um Punkt vier – l'exactitude est la politesse des rois, würde Bülow gesagt haben – erschien eine zurückgeschlagene Halbchaise vor der Tür in der Behrenstraße. Schach, der selbst fuhr, wollte die Zügel dem Groom geben, beide Carayons aber grüßten schon reisefertig vom Balkon her und waren im nächsten Moment mit einer ganzen Ausstattung von Tüchern, Sonnen- und Regenschirmen unten am Wagenschlag. Mit ihnen auch Tante Marguerite, die nunmehr vorgestellt und von Schach mit einer ihm eigentümlichen Mischung von Artigkeit und Grandezza begrüßt wurde.
    »Und nun das dunkle Ziel, Fräulein Victoire.«
    »Nehmen wir Tempelhof«, sagte diese.
    »Gut gewählt. Nur Pardon, es ist das undunkelste Ziel von der Welt. Namentlich heute. Sonne und wieder Sonne.«
    In raschem Trabe ging es, die Friedrichsstraße hinunter, erst auf das Rondell und das Hallesche Tor zu, bis der tiefe Sandweg, der zum Kreuzberg hinaufführte, zu langsamerem Fahren nötigte. Schach glaubte sich entschuldigen zu müssen, aber Victoire, die rückwärts saß und in halber Wendung bequem mit ihm sprechen konnte, war, als echtes Stadtkind, aufrichtig entzückt über all und jedes, was sie zu beiden Seiten des Weges sah, und wurde nicht müde, Fragen zu stellen und ihn durch das Interesse, das sie zeigte, zu beruhigen. Am meisten amüsierten sie die seltsam ausgestopften Altweibergestalten, die zwischen den Sträuchern und Gartenbeeten umherstanden und entweder eine Strohhutkiepe trugen oder mit ihren hundert Papilloten im Winde flatterten und klapperten.
    Endlich war man den Abhang hinauf, und über den festen Lehmweg hin, der zwischen den Pappeln lief, trabte man jetzt wieder rascher auf Tempelhof zu. Neben der Straße stiegen Drachen auf, Schwalben schossen hin und her, und am Horizonte blitzten die Kirchtürme der nächstgelegenen Dörfer.
    Tante Marguerite, die, bei dem Winde, der ging, beständig bemüht war, ihren kleinen Mantelkragen in Ordnung zu halten, übernahm es nichtsdestoweniger, den Führer zu machen, und setzte dabei beide Carayonsche Damen ebensosehr durch ihre Namensverwechselungen wie durch Entdeckung gar nicht vorhandener Ähnlichkeiten in Erstaunen.
    »Sieh, liebe Victoire, dieser Wülmersdörfer Kürchtürm! Ähnelt er nicht unsrer Dorotheenstädtschen Kürche?«
    Victoire schwieg.
    »Ich meine nicht um seiner Spitze, liebe Victoire, nein, um seinem Corps de logis.«
    Beide Damen erschraken. Es geschah aber, was gewöhnlich geschieht,
das
nämlich, daß alles das, was die Näherstehenden in Verlegenheit bringt, von den Fernerstehenden entweder überhört oder aber mit Gleichgiltigkeit aufgenommen wird. Und nun gar Schach! Er hatte viel zu lang in der Welt alter Prinzessinnen und Hofdamen gelebt, um noch durch irgendein
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