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Schach von Wuthenow

Schach von Wuthenow

Titel: Schach von Wuthenow
Autoren: Theodor Fontane
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Dummheits- oder Nichtbildungszeichen in ein besondres Erstaunen gesetzt werden zu können. Er lächelte nur und benutzte das Wort »Dorotheenstädtsche Kirche«, das gefallen war, um Frau von Carayon zu fragen, »ob sie schon von dem Denkmal Kenntnis genommen habe, das in ebengenannter Kirche seitens des hochseligen Königs seinem Sohne, dem Grafen von der Mark, errichtet worden sei.«
    Mutter und Tochter verneinten. Tante Marguerite jedoch, die nicht gerne zugestand, etwas
nicht
zu wissen oder wohl gar nicht gesehen zu haben, bemerkte ganz ins Allgemeine hin: »Ach, der liebe, kleine Prinz. Daß er so früh sterben mußte. Wie jämmerlich. Und ähnelte doch seiner hochseligen Frau Mutter um beiden Augen.«
    Einen Augenblick war es, als ob der in seinem Legitimitätsgefühle stark verletzte Schach antworten und den »von seiner hochseligen Mutter« gebornen »lieben kleinen Prinzen« aufs schmählichste dethronisieren wollte, rasch aber übersah er die Lächerlichkeit solcher Idee, wies also lieber, um doch wenigstens etwas zu tun, auf das eben sichtbar werdende grüne Kuppeldach des Charlottenburger Schlosses hin und bog im nächsten Augenblick in die große, mit alten Linden bepflanzte Dorfgasse von Tempelhof ein.
    Gleich das zweite Haus war ein Gasthaus. Er gab dem Groom die Zügel und sprang ab, um den Damen beim Aussteigen behilflich zu sein. Aber nur Frau von Carayon und Victoire nahmen die Hilfe dankbar an, während Tante Marguerite verbindlich ablehnte, »weil sie gefunden habe, daß man sich auf seinen eigenen Händen immer am besten verlassen könne«.
    Der schöne Tag hatte viele Gäste hinausgelockt, und der von einem Staketenzaun eingefaßte Vorplatz war denn auch an allen seinen Tischen besetzt. Das gab eine kleine Verlegenheit. Als man aber eben schlüssig geworden war, in dem Hintergarten, unter einem halboffenen Kegelbahnhäuschen, den Kaffee zu nehmen, ward einer der Ecktische frei, so daß man in Front des Hauses, mit dem Blick auf die Dorfstraße, verbleiben konnte. Das geschah denn auch, und es traf sich, daß es der hübscheste Tisch war. Aus seiner Mitte wuchs ein Ahorn auf, und wenn es auch, ein paar Spitzen abgerechnet, ihm vorläufig noch an allem Laubschmucke fehlte, so saßen doch schon die Vögel in seinen Zweigen und zwitscherten. Und nicht
das
bloß sah man; Equipagen hielten in der Mitte der Dorfstraße, die Stadtkutscher plauderten, und Bauern und Knechte, die mit Pflug und Egge vom Felde hereinkamen, zogen an der Wagenreihe vorüber. Zuletzt kam eine Herde, die der Schäferspitz von rechts und links her zusammenhielt, und dazwischen hörte man die Betglocke, die läutete. Denn es war eben die sechste Stunde.
    Die Carayons, so verwöhnte Stadtkinder sie waren, oder vielleicht auch
weil
sie's waren, enthusiasmierten sich über all und jedes und jubelten, als Schach einen Abendspaziergang in die Tempelhofer Kirche zur Sprache brachte. Sonnenuntergang sei die schönste Stunde. Tante Marguerite freilich, die sich »vor dem unvernünftigen Viehe« fürchtete, wäre lieber am Kaffeetische zurückgeblieben, als ihr aber der zu weiterer Beruhigung herbeigerufene Wirt aufs eindringlichste versichert hatte, »daß sie sich um den Bullen nicht zu fürchten brauche«, nahm sie Victoirens Arm und trat mit dieser auf die Dorfstraße hinaus, während Schach und Frau von Carayon folgten. Alles, was noch an dem Staketenzaune saß, sah ihnen nach.
    »Es ist nichts so fein gesponnen«, sagte Frau von Carayon und lachte.
    Schach sah sie fragend an.
    »Ja, lieber Freund, ich weiß alles. Und niemand Geringeres als Tante Marguerite hat uns heute mittag davon erzählt.«
    »Wovon?«
    »Von der Serenade. Die Carolath ist eine Dame von Welt, und vor allem eine Fürstin. Und Sie wissen doch, was Ihnen nachgesagt wird, ›daß Sie der garstigsten princesse vor der schönsten bourgeoise den Vorzug geben würden‹. Jeder garstigen Prinzeß, sag ich. Aber zum Überfluß ist die Carolath auch noch schön. Un teint de lis et de rose. Sie werden mich eifersüchtig machen.«
    Schach küßte der schönen Frau die Hand. »Tante Marguerite hat Ihnen richtig berichtet, und Sie sollen nun alles hören. Auch das Kleinste. Denn wenn es mir, wie zugestanden, eine Freude gewährt, einen solchen Abend unter meinen Erlebnissen zu haben, so gewährt es mir doch eine noch größere Freude, mit meiner schönen Freundin darüber plaudern zu können. Ihre Pläsanterien, die so kritisch und doch zugleich so voll guten Herzens sind,
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