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Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk

Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk

Titel: Sayers, Dorothy L. - Wimsey 14 - Feuerwerk
Autoren: Dorothy L Sayers
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…«
    Und was würde der Arzt sagen? Wenn Drury stürbe, würde er Verdacht schöpfen? Was könnte er schon vermuten? Er hatte nicht gesehen, daß der Teller verschoben war. Niemand hatte das gesehen. Er könnte sich selbst der Nachlässigkeit zeihen, aber das würde er wahrscheinlich nicht ausposaunen. Und er war nachlässig gewesen, dieser aufgeblasene, fette, schwatzhafte Narr. Warum hatte er die Proben nicht sofort gekennzeichnet? Warum hatte er Scales’ Blut nicht noch mit Drurys Blut getestet? Wozu mußte er so viele Erklärungen abgeben? Einem sagen, wie leicht es war, seinen Wohltäter zu ermorden?
    Scales hätte brennend gern gewußt, was sich dort in der Garderobe abspielte. Walter hielt sich draußen im Gang auf. Walter war eifersüchtig, hatte ihn scheel angeblickt, als er nach der Blutentnahme hereingestolpert kam. Wenn Walter wüßte … Erst jetzt kam Scales in den Sinn, daß er Walter einen schäbigen Streich gespielt hatte, ihn betrogen hatte – Walter, der so sehr danach verlangte, sein rechtes, wahres, lebenspendendes Blut zu opfern …
    Zwanzig Minuten, fast eine halbe Stunde vergingen. Wann würden sie wissen, ob alles in Ordnung oder alles mißlungen war? »Ebensogut könnte ich ihm Blausäure injizieren«, hatte der Arzt gesagt. Das deutete auf eine ziemlich drastische Wirkung. Blausäure wirkte rasch – man starb, wie von einer Axt gefällt.
    Scales stand auf, schob Walter und den Reporter beiseite und überquerte den Gang. In Drurys Zimmer war der Schirm fortgerückt worden. Als Scales durch die Tür blickte, konnte er Drurys Gesicht sehen; es war weiß und glänzte von Schweiß. Der Arzt beugte sich über den Patienten und fühlte ihm den Puls. Er sah unglücklich, fast bestürzt aus. Plötzlich drehte er sich um, erblickte Scales und kam zu ihm herüber. Er schien Minuten zu brauchen, um das Zimmer zu durchqueren.
    »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich bin in großer Sorge. Sie haben Ihr Bestes getan – wir alle haben unser Bestes getan.«
    »Hat es nichts genützt?« flüsterte Scales, dessen Zunge und Gaumen wie ausgedörrt waren.
    »In solchen Fällen lassen sich keine sicheren Prognosen stellen«, erwiderte der Arzt, »Ich fürchte, daß er sterben wird.« Er brach ab, und seine Augen blickten unsicher. »Ein zu großer Blutverlust«, murmelte er, als ob er sich selbst die Geschichte erklären wollte, »dazu Schock, Überlastung des Herzens, leicht erregbar. Er klagte fast sofort über Schmerzen im Rücken.« Mit größerer Zuversicht fügte er hinzu: »Es ist immer ein gewisses Risiko, wenn die Blutübertragung so spät erfolgt – und manchmal ist eine besondere Idiosynkrasie vorhanden. Ich hätte einen direkten Test vorgezogen, aber es ist unangenehm, wenn der Patient während dieser Untersuchung stirbt.«
    Mit einem verlegenen Lächeln trat er wieder an die Couch, und Scales folgte ihm. Wenn Drury es vermocht hätte, den Tod auf der Bühne so darzustellen wie jetzt! Scales konnte sich nicht von der Vorstellung befreien, daß Drury schauspielerte – daß der Glanz auf der Haut Schminke war und das rauhe, mühselige Atmen das einstudierte Todesröcheln. Wenn die Wirklichkeit so theatralisch sein konnte, dann mußte das Theater beunruhigend der Wirklichkeit ähneln.
    Irgend jemand schluchzte in seiner Nähe. Walter war ins Zimmer geschlichen, und diesmal machte ihm der Arzt Platz. »O Mr. Drury!« jammerte Walter.
    Drurys blaue Lippen bewegten sich. Er öffnete die Augen; die vergrößerten Pupillen ließen sie schwarz und sehr groß erscheinen.
    »Wo ist Brand?«
    Der Arzt wandte sich fragend an die anderen. »Wer ist Brand?«
    »Die zweite Besetzung«, flüsterte Scales. Walter sagte: »Er wird gleich hiersein, Mr. Drury.«
    »Das Publikum wartet«, keuchte Drury. Er holte mühsam Atem und sprach mit seiner alten Stimme:
    »Brand! Holen Sie Brand! Vorhang auf!«
    Garrick Drurys Tod war eine Meisterleistung.
    Niemand, dachte Scales, wird es je wissen. Nicht einmal er selbst. Drury hätte durch den Schock sterben können. Es ließ sich jetzt nicht mit Sicherheit sagen, daß das Blut nicht richtig war; die Sache mit der verschmierten Rose konnte Einbildung gewesen sein. Auch wenn man tief in seinem Innern anderer Überzeugung war – beweisen konnte es niemand. Oder vielleicht doch? Es mußte natürlich eine Leichenschau stattfinden. Würden sie eine Autopsie machen? Konnten sie beweisen, daß das Blut nicht richtig war? Wenn ja, dann war es Sache des Arztes, seine Erklärungen
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