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Savannah

Savannah

Titel: Savannah
Autoren: Linda Lael Miller
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hörte die Schreie der Verwundeten, er hörte die Stimmen der Soldaten, die ihn anflehten, sie von ihren Qualen zu erlösen, die sich nichts sehnlicher als den Tod wünschten. Und er hatte nichts für diese Menschen tun können. Er verschüttete etwas Kaffee, als er die Tasse hart auf den Tisch setzte. »Der Krieg«, sagte er mit rauer Stimme. »Das ist passiert.«
    »Wir haben zwei Söhne in der Schlacht bei Chattanooga verloren«, sagte Jacob. »Es waren Zwillinge und sie hießen Will und Wesley.« Er schwieg und als er schließlich wieder sprach, schien seine Stimme von ganz weit weg zu kommen. »Es waren gute Jungen. Freunde von uns haben gesehen, wie sie gefallen sind. Erst der eine und im nächsten Moment dann auch der andere. Sie wurden gemeinsam geboren und sie starben auch zusammen. Ich schätze, für sie musste das so sein, aber ihrer Mutter hat es fast das Herz gebrochen. Und ich — ich glaube nicht, dass ich die Trauer um meine Jungen jemals ganz überwinden werde.« Der große Mann schüttelte den Kopf und Pres hatte das Gefühl, dass dies noch nicht das Ende von Jacobs Erzählung war. »Wir wissen nicht mal, wo man sie begraben hat. Wohl in einem anonymen Massengrab, aber wenigstens in ihrer Heimaterde in Tennessee.«
    Savannah beobachtete mitfühlend den Stationsmeister und Pres beobachtete sie. Er konnte gar nicht anders. Sie sah so verändert aus in ihrem einfachen bürgerlichen Kleid - und irgendwie viel aufregender als in dem leuchtenden Satinfummel mit den Rüschen und Fede rn, den sie in Choteau im Hell bent Saloon getragen hatte, um zu singen oder den Gästen Drinks zu servieren. Und er fragte sich, welches Schicksal Savannah dazu gebracht hatte, dass sie sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt verdiente.
    Aber wozu sich darüber noch Gedanken machen, rief Pres sich selbst zur Ordnung. Sie war ein — zugegeben — hübscher Nachtfalter, aber sicher keine Frau fürs normale Alltagsleben. Und er war ein heruntergekommener Säufer, ein elender Zyniker, der bis auf den sprichwörtlich letzten Nickel abgebrannt war. Ein schönes Paar würden sie abgeben, zwei Gestrandete, zwei verlorene Seelen.
    Wieder schob er sich die gespreizten Finger durch die Haare.
    »Ich zeige Ihnen jetzt wohl mal, wo Sie schlafen können«, sagte Jacob. »Sind Sie sich ganz sicher, dass Sie kein Abendessen wollen?«
    Pres schüttelte den Kopf, denn schon bei dem Gedanken an Essen würde ihm übel.
    »Wie wäre es dann mit heißem Wasser?«
    Die Vorstellung, in einer Wanne mit heißem Wasser zu sitzen, hätte in der Tat etwas sehr Verführerisches an sich. »Ein Bad würde mir sicher nicht schaden«, antwortete er und sah dabei Savannahs zustimmenden Blick. Beinahe hätte er wieder gelacht, aber er war zu müde, zu verzweifelt und zu lange aus der Übung. Aber für einen kurzen Moment wünschte er, dass er hier in Springwater bleiben könnte, wieder zu sich finden würde und eines Tages eine kleine Landarzt-Praxis eröffnen könnte, wie sein Vater zu Hause in Maine eine betrieben hatte. Es war so friedlich gewesen, als er vorhin an der Quelle gestanden hatte und den Stern am Himmel hatte aufgehen sehen. Die Sterne waren in Wahrheit natürlich nur eine große Illusion, hatte er sich gesagt und er sagte es sich jetzt noch einmal. Die Wirklichkeit sah ganz anders aus. Die Wirklichkeit bestand aus diesen entsetzlichen Alpträumen, von denen er jede Nacht gequält wurde, wenn er wieder die Schreie der Menschen hörte, wenn er die zerschossenen Leiber sah, auf denen fette, schwarze Schmeißfliegen herumkrabbelten. Nein, er musste vorwärts, immer weiter, bevor die Erinnerungen an den Krieg ihn überrollten und unter sich begruben.
    »Dann kommen Sie mal mit«, sagte Mr. McCaffrey in seiner ruhigen Art. »Ich bringe Ihnen das heiße Wasser und sicher finde ich auch noch saubere Kleidung für Sie.«
    Pres trank seinen Kaffee aus und stellte seinen Becher in das Waschbecken neben dem Kochherd. Dann folgte er dem Stationsmeister den Flur entlang zu einer kleinen Kammer ganz am Ende des Flurs. Das Zimmer war kaum größer als ein Kleiderschrank, aber es war herrlich sauber und durch das geöffnete Fenster drang aus der Feme das Plätschern der Quelle ins Zimmer. Das Bett war schmal und mit einer altmodischen Häkeldecke bedeckt, in die in der Mitte das Datum 1847 und ein Bibelvers eingestickt waren. Du sollst aber immer suchen das Reich des Herrn ...
    »Ich habe nicht das Geld, um für dieses Zimmer zu bezahlen«, gestand Pres, der
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