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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
Autoren: Isabel Morf
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nicht der Typ, der sich gro ß darüber Gedanken machte, ob man sie mochte, ob sie beliebt war. Zeitverschwendung, fand sie. Sie war ehrgeizig, sie hatte Erfolg, selbstverständlich gab es da Neid und Eifersucht. Man hatte Gegner, aber man hatte auch Anhänger, Wähler, nicht nur aus ihrer Partei, die ihr schrieben, ihr gratulierten zu ihrer Unerschrockenheit.
    Angela hörte, wie unten die Tür aufgesperrt wurde. Fritz kam nach Hause. Ob er es schon gehört hatte? Das Lokalradio hatte eine kurze Meldung gebracht. Er rief nicht nach ihr, vermutlich dachte er, sie sei nicht da. Auch sie gab kein Zeichen. Fritz, dachte sie, und nicht zum ersten Mal kam ihr als Bild für ihre Ehe der Mathematikunterricht ihrer Jugend in den Sinn. Mengenlehre. Zwei Kreise, die sich überschnitten. Der gemeinsame Bereich war die Schnittmenge. Dieses Oval war in ihrer Ehe im Laufe der Jahre immer magerer geworden. Woraus bestand diese Schnittmenge noch? Sie verbrachten die bei beiden spärliche Freizeit und die Ferien miteinander. Sport. Velotouren. Das Häuschen in den Bergen. Dabei verstanden sie sich ganz gut. Beide waren ehrgeizig und ausdauernd, wenn sie einen Pass hinaufpedalten, beide wollten das Rennen gewinnen. Und es war gar nicht immer Fritz, der die Nase vorn hatte, denn Angela war, obwohl eher klein, muskulös und zäh. Aber im Alltag drifteten sie immer mehr auseinander. Er hatte seine Gemeinde, sie die Politik. Gemeinsame Freunde hatten sie kaum. Selten begleiteten sie einander zu Anlä ss en. Beide führten sie ihr eigenes Leben und trafen sich manchmal zu einem improvisierten Abendessen am Küchentisch. Sie erzählten einander nicht viel. Angela hatte den Eindruck, dass Fritz ihre politische Arbeit nicht ganz ernst nahm. Und er war ihr in seiner beruflichen Entwicklung fremd geworden. Aus dem wissbegierigen, offenen Theologiestudenten war ein moralisch strenger evangelikaler Pfarrer geworden, der sich von der Landeskirche abgewandt hatte und in eine Freikirche übergetreten war, die eine schwärmerische und autoritätsgläubige Religiosität pflegte. Was war da blo ß in ihm vorgegangen? Sie redeten nie darüber. Sie sprachen über Fahrradausrüstungen, über die Heizung ihres Häuschens in den Bergen, über Urlaubstermine. Manchmal fragte Angela sich, ob es anders gekommen wäre, wenn sie Kinder gehabt hätten. Ob er enttäuscht war, weil es nicht geklappt hatte? War sie enttäuscht? Es war mü ß ig, darüber nachzudenken. Sie hatte jetzt andere Sorgen.
    Sie erhob sich und ging langsam hinunter. Fritz sa ß im Wohnzimmer.
    »Was ist denn mit dir passiert?«, fragte er, als er ihr Pflaster sah. Angela erzählte es ungern, es kam ihr vor wie das Eingeständnis einer Niederlage. Gleichzeitig ärgerte sie sich darüber, dass sie es so empfand.
    »Irgendein … ein Krimineller hat einen Stein nach mir geworfen, auf dem Flohmarkt«, rief sie. Tränen des Zorns stiegen ihr in die Augen. »Muss ich mich so behandeln lassen?«
    »Du musst Anzeige erstatten«, riet ihr Mann.
    »Habe ich natürlich gemacht.«
    »Hast du dir überlegt, dass das ein Zeichen sein könnte?«, fragte er.
    »Ein Zeichen?« Sie sah ihn verständnislos an.
    »Ich zweifle schon seit einiger Zeit daran, ob es das Richtige ist, was du machst, diese Politik«, sagte er. »Tut dir das wirklich gut? Ist es das, was Gott mit dir vorhat?«
    Angela starrte ihn an. Ihr Kopf begann plötzlich heftiger zu schmerzen.
    »Spinnst du?«, rief sie. »Das erste Mal in meinem Leben mache ich etwas wirklich Spannendes. Wie kannst du?«
    Er blieb ganz ruhig, beobachtete sie. »Ich habe den Eindruck, dass du überlastet bist, du hast keine Zeit mehr, du entziehst dich mir, du hast keinen festen Boden mehr unter den Fü ß en.«
    »So ein Unsinn! Mir gehts prima. Mein Problem ist, dass ich angegriffen worden bin, nichts anderes!« Sie schwieg. Es stimmte, dass sie sich ihrem Mann entzog. Aber hatte sie kein Recht auf ein eigenes Leben, das sie ausfüllte?
    »Gönnst du mir meine Karriere nicht?«, fragte sie misstrauisch. »Du wolltest schon immer im Mittelpunkt stehen, mich dominieren. Und jetzt nimmst du diesen Angriff zum Anlass, mich kleinzumachen, statt dass du zu mir hältst.« Ihre Schläfe pochte.
    Sein Blick war durchdringend. »Selbstverständlich halte ich zu dir. Du bist meine Frau. Aber ich glaube, dass du auf einem falschen Weg bist.«
    »Was sollte ich denn deiner Ansicht nach tun? Wieder als Sekretärin arbeiten? Musik auflegen auf deinen Jugendpartys? Oder
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