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Satanica

Satanica

Titel: Satanica
Autoren: Jason Dark
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ihn heran, tanzte aber, zerfloß im zuckenden Schein, um sich wenig später wieder neu aufzubauen.
    Debora hatte ihn nicht gesehen. Sie hockte inmitten des Vierecks aus Kerzen, trug ein langes Kleid und hatte beide Arme über die Knie gelegt.
    Den Kopf leicht nach vorn gebeugt. An der linken Seite hing ihr das lange Haar wie eine Welle ins Gesicht hinein.
    Er wußte auch nicht, ob seine Schwester etwas gespürt oder ihn entdeckt hatte. Sie war stumm und erinnerte ihn eher an ein Denkmal als an einen Menschen.
    Perry konnte nicht sagen, wie viele Meter er von Debora entfernt stand und ob sie ihn sehen konnte. Alles war für ihn so unwirklich geworden.
    Das normale Leben hatte er verlassen, um eine Bühne zu betreten, auf der entscheidende Dinge geschahen.
    Die Zeit war vergangen, aber sie war doch eine relative Größe. Für ihn spielte es keine Rolle, ob es Minuten oder Stunden waren. Er stand einfach nur da und schaute.
    Dabei wußte Perry, daß er sich bewegen mußte. Er konnte es nicht, der Anblick seiner Schwester und damit auch dieser unheimlichen Wahrheit hatte ihn starr werden lassen. Erst als etwas über seine Schuhe hinweghuschte – eine Maus wahrscheinlich –, fand er wieder zu sich selbst. Da riß auch der Vorhang, da war die Starre weg, und er nahm alles wieder normal wahr.
    Er bewegte sich. Ein innerer Motor war angeworfen worden, der ihn antrieb. Er wollte wissen, was mit Debora los war. Er wollte mit ihr reden.
    Sie sollte ihm sagen, was sie in der Nacht auf einem Friedhof trieb. Der Schrei fiel ihm wieder ein. Koko hatte von einer Katze oder einem Hund gesprochen, der getötet worden war, aber einen Kadaver entdeckte der Streetworker nicht.
    So tappte er auf dem weichen Boden weiter, umging nach Möglichkeit die Stolperfallen der Grabränder, mußte noch einen schmalen, hohen Stein passieren, um einen freien Blick auf diese kleine, makabre Bühne zu bekommen, die eigentlich nur ein rechteckiges Grab war. Zwar größer als normale Gräber, aber immerhin war es ein Grab. Und Debora hockte auch nicht auf der Graberde, sondern auf einer Steinplatte, denn sie sank nicht ein.
    Vor dem Grab blieb Perry stehen. Er hatte sich vorgenommen, seine Schwester anzusprechen, doch dieser Vorsatz war im Keim erstickt worden, als er sich die Umgebung genauer anschaute.
    Das Grab war gereinigt worden. Kein Unkraut bedeckte die Platte.
    Jemand hatte sie sogar blank gewischt, und sie erinnerte Perry an einen Gabentisch.
    Nur war er nicht festlich gedeckt, sondern verdammt schlimm und makaber.
    Am unteren Ende des Grabs stand die mit Blut gefüllte Schale. Ein Messer lag darin. Sein Griff schaute über den Rand hinweg. Die Klinge war ebenfalls blutverschmiert. Die Schale stand zudem auf einem hellen Tuch. Rechts neben ihm lagen einige Hühnerfedern. Der Beweis, daß in der Schale nicht das Blut eines Menschen gesammelt worden war, sondern das eines Huhns.
    Perry sah auch den Kadaver. Und einen zweiten. Den einer Katze. Beide Tiere waren ausgeblutet.
    Brixton war noch immer nicht in der Lage, ein Wort hervorzubringen. Ihm war alles so fremd. Er hatte von diesen Ritualen höchstens gehört, sie aber nie selbst erlebt. Er wäre auch nicht auf den Gedanken gekommen, jemals damit konfrontiert zu werden. Alles war plötzlich so anders und schrecklich fremd.
    Seine Schwester stand an erster Stelle. Zwar saß sie auf der Grabplatte, aber sie hockte zugleich inmitten eines mit Blut gemalten Zeichens, das sich dunkelrot vom Gestein abhob. Das Zeichen war nicht in seiner Gesamtheit zu sehen. Es bestand aus einem Kreis und mehreren Linien, die den Kreis durchzogen, so daß es seiner Meinung nach die Form eines Wagenrads bekommen hatte.
    Vier Kerzen rahmten den Kreis ein. Zwei an der Vorder-, die anderen beiden an der Rückseite.
    Perry stellte sich vor, selbst auf der Grabplatte zu sitzen, über die Flammen hinweg ins Dunkle zu schauen, dabei von dem Licht geblendet werden, und so fragte er sich, ob die Schwester ihren Bruder wohl hatte erkennen können.
    Sie rührte sich nicht.
    Perry ging noch näher heran. Er wollte mit ihr reden. Hier und jetzt mußte sie ihm Rede und Antwort stehen, aber er wußte auch, welch einen Dickkopf sie hatte. Das kannte er aus der Kindheit.
    Debora war zwei Jahre jünger als er. Aber sie hatte schon immer das Kommando gehabt. Perry bewegte seine Hände. Mal streckte er sie, dann schloß er sie wieder zu Fäusten. Dieses Spiel setzte er eine Weile fort, während er dabei überlegte, ob und wie er seine
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