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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen
Autoren: Karin Slaughter
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Ich fand es aber bald genug heraus.«
    » Was ist passiert?«
    » Sie schrieb diesen Satz überall hin, immer und immer wieder. Auf ihre Bücher, auf die Sohlen ihrer Schuhe, auf den Handrücken.«
    » Ich werde mir nichts versagen«, vermutete Will.
    Pauline nickte. » Es war diese Übung, die einer der Ärzte im Krankenhaus mir aufgab. Ich musste diesen Satz schreiben, musste mich dazu bringen, mich nicht vollzustopfen und danach auf der Toilette zu reinigen, so als würde das alles vergehen, wenn man einen Satz nur oft genug schreibt.«
    » Wussten Sie, dass Tom Alexandra zwang, diesen Satz zu schreiben?«
    » Sie sah genauso aus wie ich«, gab Pauline zu. » Deshalb mochte ich sie ja so sehr. Sie war wie eine Stellvertreterin für mich – dieselbe Haarfarbe, dieselbe Größe, ungefähr dasselbe Gewicht, obwohl sie dicker aussah als ich.«
    Diese Eigenschaften hatten Tom bei allen seiner Opfer angezogen: Jede Frau ähnelte seiner Schwester.
    Pauline erzählte weiter: » Ich fragte ihn danach – warum er sie zwang, diesen Satz zu schreiben. Ich meine, ich war sauer, okay? Und ich schrie ihn an, und er schlug mich einfach. Nicht nur mit der flachen Hand, sondern mit der Faust. Und als ich hinfiel, prügelte er richtig auf mich ein.«
    Faith fragte: » Was passierte dann?«
    Pauline starrte ausdruckslos zum Fenster hinaus, als wäre sie allein im Zimmer. » Alexandra und ich waren im Wald. Wir gingen nach der Schule dorthin, um zu rauchen. An dem Tag, an dem Tom mich schlug, traf ich sie da draußen. Zuerst wollte sie nichts sagen, aber dann brach sie zusammen. Schließlich erzählte sie mir, dass Tom sie in den Keller unseres Hauses schleppte und ihr dort wehtat. Schlimm wehtat.« Sie schloss die Augen. » Alexandra ließ es über sich ergehen, weil Tom sagte, wenn sie es nicht tue, würde er es auch mit mir machen. Sie schützte mich.«
    Sie öffnete die Augen und schaute Faith mit überraschender Intensität an. » Alexandra und ich redeten darüber, was wir tun sollten. Ich sagte ihr, es bringe nichts, es meinen Eltern zu erzählen, denn es würde nichts passieren. Also beschlossen wir, zur Polizei zu gehen. Da war dieser Polizist, den ich kannte. Nur, ich vermute, dass Tom uns in den Wald folgte. Er beobachtete uns ja immer. Er hatte dieses Babyphon, das er in meinem Zimmer versteckte. Er belauschte uns und …« Sie zuckte die Achseln, und Faith konnte sich gut vorstellen, was Tom getan hatte, während er seine Schwester und ihre Freundin belauschte.
    Pauline fuhr fort: » Wie auch immer, Tom fand uns im Wald. Er schlug mir mit einem Stein auf den Hinterkopf. Ich weiß nicht, was er mit Alexandra machte. Danach sah ich sie eine Weile nicht. Ich glaube, er bearbeitete sie, versuchte, sie zu brechen. Das war das Schwierigste. War sie tot? Schlug er sie? Folterte er sie? Oder vielleicht hatte er sie auch gehen lassen, und sie hielt den Mund, weil sie Angst vor ihm hatte.« Sie schluckte. » Aber das war es gar nicht.«
    » Was war es dann?«
    » Er hatte sie wieder dort unten in diesem Keller. Bereitete sie für die wirklich schlimmen Sachen vor.«
    » Da unten hörte sie niemand?«
    Pauline schüttelte den Kopf. » Dad war nicht da, und Mom …« Sie schüttelte noch einmal den Kopf. Faith war überzeugt, dass sie nie erfahren würden, was Judith Coldfield wirklich über die sadistischen Umtriebe ihres Sohns gewusst hatte.
    Pauline sagte: » Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, aber irgendwann landete Alexandra am selben Ort wie ich.«
    » Wo war das?«
    » Unter der Erde«, sagte sie. » Es war dunkel. Wir hatten die Augen verbunden. Er steckte uns Watte in die Ohren, aber einander konnten wir noch hören. Wir waren gefesselt. Trotzdem … wir wussten, dass wir unter der Erde waren. Es gibt da so einen Geschmack, okay? Irgendwie ein feuchter, schmutziger Geschmack, den man in den Mund bekommt. Er hatte eine Höhle ausgehoben. Er muss Wochen dafür gebraucht haben. Er hatte es immer schon genossen, alles zu planen, jedes kleine Detail zu kontrollieren.«
    » War Tom danach die ganze Zeit bei Ihnen?«
    » Anfangs nicht. Ich schätze, er arbeitete noch immer an seinem Alibi. Für ein paar Tage ließ er uns einfach da unten liegen – gefesselt, sodass wir uns nicht rühren, nichts sehen und kaum etwas hören konnten. Anfangs schrien wir, aber …« Sie schüttelte den Kopf, als könne sie damit die Erinnerung verscheuchen. » Er brachte uns Wasser, aber kein Essen. Ich schätze, eine Woche verging so. Ich war
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